Ursachenanalyse und psychologische Trägheit

Paul.Bayer am 15. October 2007 um 23:55

Psychologische TrägheitBei verzwickten Problemen und oft auch bei einfacheren besteht die Haupt­schwierigkeit oft darin, dass unsere vorgefassten Meinungen uns davon abhalten, das Problem unvorein­genommen zu betrachten.

In der TRIZ (Theorie der erfinderischen Problemlösung) wird dieses Phänomen so beschrieben: Es gibt ein Problem (P). Unser psychologischer Trägheitsvektor (PIV = psychological inertia vector) führt dazu, dass wir die Ursachen und Lösungen immer in einer bestimmten Richtung suchen. Unsere Lösungs­versuche (V) schlagen aber alle fehl, weil die Ursachen (U) und Lösungen (L) ganz wo anders – meist viel näher am Problem – liegen. Eine wichtige Aufgabe bei der Problemlösung besteht darin, die psychologische Trägheit abzubauen. Denn nur so kann schließlich das Problem gelöst werden.

Psychologische Trägheit erkennen

Der wichtigste Schritt besteht darin, ein Gespür dafür zu entwickeln, wann man sich selbst und wann sich andere festgefahren haben. Meist ist es leichter, das Phänomen bei den anderen zu erkennen – statt bei sich selbst. Aber lerne, dich selbst zu erkennen. Ich habe mehrmals zwei charakteristische und extreme Verlaufsformen psychologischer Trägheit beobachtet:

Schatzgräber und Problemlöser

Sich eingraben: Wir graben an der Stelle, an der wir die Ursache oder Lösung des Problems vermuten, immer tiefer und tiefer. Wir sind überzeugt, dass wir nur noch ein wenig graben müssen, um den Schatz zu heben. Je tiefer die Grube wird, um so mehr verlieren wir den Überblick. Wenn Leute vorbeikommen und fragen, was wir hier machen, schlagen wir ihnen vor, zu uns in die Grube zu kommen und graben zu helfen. [1] Meist ist die Einsicht, wenn wir merken, dass wir uns verrannt haben, mit Kopfschmerzen verbunden.

Wir suchen die Lösung zu weit vom Problem

Dem Problem ausweichen: Meist liegt die Lösung ganz nahe am Problem. Das wollen wir aber nicht wahrhaben. Und so fügen wir Erklärungsparameter um Erklärungsparameter hinzu und suchen die Ursachen und Lösungen in immer größeren Entfernungen vom Problem. Russell Ackoff hat dazu bemerkt: „Je weniger wir ein Problem verstehen, um so mehr Parameter benötigen wir, um es zu erklären.“ So machen wir die Angelegenheit immer komplizierter und komplizierter – und immer weniger lösbar. [2] Die Einsicht besteht darin, irgendwann zum Kern des Problems zurückzugehen – falls es nicht bereits zu spät ist oder falls wir nicht schon frustriert aufgegeben haben.

Auswege

Die zugespitzte Darstellung der beiden extremen Verlaufsformen psychologischer Trägheit weist auch schon Auswege aus der Situation:

  1. Setze eine vernünftige Suchstrategie bei der Ursachenanalyse ein, die verhindert, dass du dich zu früh und an der falschen Stelle eingräbst. Die einfachste dieser Strategien ist: gehe vor Ort und schaue (go to Gemba), überprüfe die Gegenstände vor Ort (check Genbutsu) und dann gerate nicht ins spekulieren, sondern versuche die Realität des Problems zu erfahren (Genjitsu). das geht am besten durch Experiment.
  2. Wenn du am Ursachenpunkt angelangt bist, dann setze eine robuste und systematische Methode ein, um die Kernursache zu finden, z.B. die fünf Warum oder ein Diagramm, das die Zusammenhänge verdeutlicht, baue ein einfaches Modell und stelle einfache Fragen.
  3. Möglich ist auch, unterschiedliche Leute um ihre Meinung zu fragen oder an der Problemlösung zu beteiligen.
  4. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Techniken z.B. aus der TRIZ, die die psychologische Trägkeit brechen können.

Einige dieser Auswege möchte ich in weiteren Artikeln behandeln.

[1]
Nach: Darell Manns Darstellung psychologischer Trägheit in „Hands On Systematic Innovation“
[2]
Eine ähnliche Darstellung gibt Roni Horowitz in der Einführung in sein ASIT.

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