Deming über Transformation

Paul.Bayer am 11. June 2009 um 22:47

In einem Vorwort zu Henry. R. Neave: The Deming Dimension beschreibt W. Edwards Deming in sehr komprimierter Weise seinen Ansatz. Fran Wheeler von SPC-Press hat mir erlaubt, das Vorwort hier zu veröffentlichen [1]:

„Das westliche Management in Industrie, Bildung und Regierung muss sich umfas­send verändern. Das vorherrschende Management hat das Individuum unter­drückt und hat daher Innovation, angewandte Wissenschaft, Freude am Lernen und an der Arbeit gedämpft. Es wird notwendig sein, den Individuen Würde und Selbstwertgefühl zurückzugeben. Das ist möglich, aber nur durch die Transformation des Managementstils so wie er jetzt praktiziert wird.

Die vorherrschenden Kräfte der Zerstörung beginnen früh im Leben – Noten in der Schule vom Kleinkind bis zur Universität, goldene Sterne für Schulsport, Bonus­system oder jährliche Beurteilung in der Arbeit, Leistungsanreiz, Arbeitsstan­dards, MBO (oder besser MBIR: Management durch Aufzwingen von Ergebnissen), MBR (Management by Results). Diese zerstörerischen Kräfte müssen durch Führung abgelöst werden.

Führung erfordert Wahrnehmen und Anerkennen von Unterschieden zwischen den Leuten. Es ist notwendig, diese unterschiedlichen Persönlichkeiten einzusetzen, um die Arbeit in der Gruppe zu optimieren.

Der vorherrschende Managementstil entstand nicht aus böser Absicht. Er entwickelte sich Punkt für Punkt durch reaktives Verhalten, unpassend zur Welt und besonders unpassend zur neuen Art der Welt der Abhängigkeiten und Wechselwirkungen, in der wir uns jetzt befinden.

Der Preis des gegenwärtigen Managementsystems ist sein Versagen, in der Qualität Schritt zu halten, der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und die Zerstörung des Individuums.

Es wird notwendig sein, ein System des tiefen Wissens zu lernen und zu praktizieren. Ein System des tiefen Wissens besteht aus vier Teilen:

  • Wissen über Systeme,
  • einiges Wissen über Variation,
  • etwas Theorie des Wissens,
  • etwas Psychologie.

Die verschiedenen Abschnitte des tiefen Wissens können nicht voreinander getrennt werden. Sie wirken zusammen. So ist Wissen über Psychologie unvollständig ohne Wissen über Variation. Wenn Psychologen Variation verstehen würden, könnten sie nicht länger an der ständigen Verfeinerung von Instrumenten zur Arbeitsbewertung mitarbeiten.

Die Theorie des Wissens hilft uns zu verstehen, dass Management in jeder Form Vorhersage ist: dass Noten in der Schule Vorhersagen für Leistung sind, dass Leistungsbeurteilung von Angestellten Vorhersage ist.

Statistische Theorie kann einen entscheidenden Beitrag zur Optimierung eines Systems leisten. Statistische Theorie ist hilfreich, um Unterschiede zwischen Personen zu verstehen, sowie die Wechselwirkungen zwischen den Personen und dem System, in dem sie arbeiten und lernen.

Ein System ist eine Serie von Funktionen oder Aktivitäten (oder auch Komponenten) in einer Organisation, die zusammen am Ziel der Organisation arbeiten. In nahezu jedem System gibt es eine Wechselwirkung zwischen seinen Komponenten.

Das Ziel des Systems muss von seinem Management benannt werden. Ohne ein Ziel gibt es kein System. Die Komponenten eines Systems müssen gemanagt werden.

Die Leistung jeder Komponente muss an ihrem Beitrag zum Systemziel beurteilt werden, nicht anhand ihrer Produktion oder ihres Gewinns für sich, noch anhand irgend eines anderen Konkurrenzmaßstabs.

Die größte Mühe und harte Arbeit reichen nicht aus, auch nicht neue Maschinerie, Computer, Automation, technische Spielereien. Man könnte gut sagen, dass uns größte Mühe und die besten Absichten ruinieren, wenn sie ohne Anleitung einer Theorie des Managements zur Systemoptimierung ausgeführt werden.

Die erforderliche Veränderung ist eine Transformation, eine Zustandsveränderung und Metamorphose. Die Transformation wird das Individuum wieder herstellen; sie wird die Noten von der Schule aufwärts bis zur Universität abschaffen; sie wird die jährliche Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter abschaffen, MBO, Produktions­vorgaben, Anforderungen, dass die Leute pro Stunde 57 Minuten arbeiten, Leistungsanreiz, monatliche oder quartalsweise Berichte über Geschäftsziele, Wettbewerb zwischen den Leuten, Wettbewerb zwischen Abteilungen und andere Formen der Suboptimierung. Führung wird diese schlechten Praktiken ablösen und wird das Individuum wieder herstellen.

Die Transformation muss vom Topmanagement geführt werden. Die Transfor­mation ist nicht Feuerlöschen, Problemlösung und kosmetische Verbesserung. Dieses Buch von Henry Neave erklärt, warum das vorherrschende Management­system uns in einen Niedergang geführt hat. Es erklärt die Transformation, die sich unter der Leitung des Topmanagements ereignen muss, um zu überleben.

Es ist mir ein großes Vergnügen und eine Genugtuung, dieses Buch zu sehen und meine Anerkennung für Dr. Neave auszudrücken, dass er eine klare Darstellung liefert, die die Botschaft an das Management von Industrie und Bildungssystem und an die Leute in der Regierung vermittelt.

Washington, 27. Februar 1990,
W. Edwards Deming“

[1]
“The Deming Dimension” by Henry R. Neave
Copyright © 1990
Available from SPC Press at www.spcpress.com
Used by permission. All Rights Reserved

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