Von Toyota lernen
Paul.Bayer am 4. November 2007 um 13:55
Vor einigen Monaten war ich von Freunden zur Jubiläumsfeier eines Karate-Dojos eingeladen. Dort traf ich einen Karatemeister, Hatano Sensei, 8. Dan Shito-Ryu Karate. Er lebt in Mailand als Designer und so kam die Diskussion unweigerlich auf meine Arbeit, auf Automobildesign, auf Toyota. Ich sagte ihm, wir würden versuchen, vom Toyota-Produktionssystem zu lernen. Er antwortete mir ziemlich entsetzt, wir sollten vielmehr versuchen, unseren eigenen Weg zu entwickeln. Er befürchtete einen Verlust an eigenem Charakter, kreativem Freiraum, Eigenständigkeit und Vorsprung auf einigen Gebieten. Offensichtlich hatte er den Eindruck, wir würden versuchen, Toyota nachzuahmen.
Dieses – kurze – Gespräch war für mich sehr interessant, auch deswegen weil es von einem Japaner und Budo-Meister kam. Was bedeutet es also, von Toyota zu lernen?
Stärken und Schwächen des Toyota-Wegs
Versuchen wir die Fakten zu verstehen und die Schwachstellen (Suki) zu sehen:
- Toyota verfügt heute über das fortgeschrittenste Management-, Produktions- und Entwicklungssystem, das ihm laufend Vorsprünge, ein schnelleres Tempo, höhere Gewinne, mehr Eigenständigkeit usw. ermöglicht.
- Sie haben ihren „Toyota-Weg“ in Jahrzehnten kontinuierlicher und aufeinander aufbauender Detailarbeit entwickelt und eine Unternehmenskultur geschaffen, die nicht kopiert werden kann.
- Sie verfolgen eine langfristige Wachstumsstrategie, die darauf basiert, bessere Produkte schneller und günstiger auf den Markt zu bringen als der Wettbewerb, der somit aus dem Markt gedrängt wird.
Dazu müssen sie ständig:
- die eigenen Prozesse rationalisieren. Die Produktivitätsgewinne müssen durch Volumenwachstum ausgeglichen werden, damit keine Mitarbeiter freigesetzt werden und deren legendäre Beteiligung an Verbesserung aufhört.
- in neue Märkte expandieren. Die Wachstumslogik von Toyota erfordert, vor Ort (Gemba) in diesen neuen Märkten Produktions- und Entwicklungskapazitäten aufzubauen und Entscheidungen dorthin zu verlagern. Das wird dazu führen, dass sich lokale Eigenheiten des Toyota-Wegs herausbilden und dass im Management die Friktion zunimmt.
- neuen Mitarbeitern den Toyota-Weg übermitteln. Diese benötigen aber lange, um die nötigen Erfahrungen zu gewinnen. Laut Toyotas eigenen Angaben sind für einen Produktmanager (Shusa) 10-20 Jahre Erfahrung nötig. Es besteht also hier die Gefahr schneller zu wachsen als die Kader ausgebildet werden können. Dies führt zu einer Verwässerung des Toyota-Wegs wie zum Beispiel auch im Karate, Aikido, Judo … Die Techniken sind in der 3. und 4. Generation nach den Gründern nicht mehr so wirksam und werden weniger verstanden.
- mit neuen Lieferanten arbeiten. Toyota muss auf den lokalen Märkten mit neuen Lieferanten zusammenarbeiten, die nicht nach den Standards des TPS arbeiten. Das schwächt die Qualität und erhöht die Kosten.
- auf Standards pochen. Um der Aufweichung des Toyota-Wegs entgegenzuwirken, wird stärker auf seine Einhaltung geachtet. Das bremst seine Weiterentwicklung und Anpassung an neue Märkte und Herausforderungen. Spielräume für kreative Eigenentwicklungen werden vermindert.
Der Toyota-Weg hat also durchaus einige Schwachpunkte.
Herausforderungen in Europa
Wenn Toyota in den europäischen Markt kommt, sieht es sich mit anderen Herausforderungen konfrontiert als in USA oder in Asien. Mit seiner Strategie, in USA qualitativ wesentlich höherwertige Produkte zu günstigeren Preisen anzubieten kann der europäische Markt nicht aufgerollt werden. Die europäischen Fahrzeuge haben nicht soviele Qualitätsmängel, sind fortschrittlicher und die Hersteller sind flexibler als die „Big Three“. Hier muss Toyota eine innovativere Produktpalette anbieten und sein Innovationstempo beschleunigen. Dass sie hier einiges zuwege bringen, haben sie mit dem Lexus und dem Prius gezeigt. Aber insgesamt korrumpiert Innovation die Stabilität und Effizienz und erfordert eine Weiterentwicklung des Toyota Produktionssystems.
Denken wie Toyota
Bei Toyota heißt es angeblich: „Besiege Toyota!“. Toyota muss über sich hinauswachsen und sich auf den europäischen Markt anpassen. Das Toyota Produktionssystem besteht aus vielen kreativen Lösungen, um den Widerspruch zwischen Qualität und Kosten zu lösen. Um in Europa erfolgreich zu sein, muss Toyota weitere Probleme lösen:
- Wie können wir innovativ sein und gleichzeitig die Kostenführerschaft behalten?
- Wie können wir bei einem beschleunigten Innovationstempo die hohen Qualitätsstandards halten?
Das sind durchaus Fragen, wie sie sich ähnlich für die europäischen Hersteller stellen. Um diese Probleme zu lösen, hat Toyota einige weitere starke – weniger bekannte – Pfeile im Köcher: seine Entwicklungs- und Managementsysteme, vor allem aber seine Art zu denken und die Probleme konsequent, strategisch und praktisch anzugehen. Sie werden versuchen, ihre Probleme in Europa mit aller Energie zu lösen. Die (bisherigen) Werkzeuge von Toyota nachzumachen ist für die Europäer der sicherste Weg, von Toyota überflügelt zu werden – so wie in USA bereits geschehen.
Von Toyota zu lernen bedeutet, wie sie konsequent zu beobachten, zu denken und praktisch zu handeln. Ihre Werkzeuge entwickeln sie aus diesem Geist heraus, mit PDCA und Hoshin Kanri. Sind wir dazu ebenso in der Lage?
am 6. November 2007 um 12:16 Uhr.
Ein schönes Blog haben Sie hier – geschieht das eigentlich in Absprache und im Wissen Ihres Arbeitgebers?
am 24. November 2007 um 22:15 Uhr.
Der EvolvingExcellence Blog hat heute einen Artikel: „Toyota and the Power of People“, der die aktuellen Schwierigkeiten bei Toyota behandelt.