Die Schildkröte und der Hase

Paul.Bayer am 24. November 2007 um 17:13

Eine Schildkröte, wegen ihrer Langsam­keit von einem Hasen gehöhnt, wagte es doch, ihn zu einem Wettlauf herauszu­fordern, den er auch, mehr aus Scherz als aus Prahlerei, annahm. Der Tag des Wett­laufs kam; das Ziel wird bestimmt, beide betreten in dem nämlichen Augenblick die Bahn.

Die Schildkröte kriecht langsam, jedoch unermüdlich fort: der Hase legt sich, um den Hohn gegen die Schildkröte aufs höchste zu treiben, nach unendlich vielen Seitensprüngen, nur noch wenige Schritte vom Ziele entfernt, in das Gras nieder und schläft aus Mattigkeit ein, bis er durch der Zuschauer lauten Jubel geweckt, die Schildkröte bereits oben an dem Ziel erblickt.

Schon sah er sie zurückkehren, ging aber aus Scham auf die Seite und gestand frei: in seinem zu großen Vertrauen auf seine Behendigkeit habe ihn das langsamste Tier von der Welt beschämt.

Oft werden gute, aber flatterhafte Köpfe von mittelmäßigen, aber anhaltend fleißigen, eingeholt, ja übertroffen. (Äsop, 600 v. Chr, [1])

Arbeite wie die Schildkröte, nicht wie der Hase

Die alte Fabel von Äsop hat in der schlanken Produktion mehrfache Bedeutung:

  • Die Schildkröte ist ein Symbol für Kaizen: Stetiges, kontinuierliches Vorgehen in kleinen Schritten ist ein verläßlicherer Weg zur Zielerreichung als große Sprünge.
  • In einem Fließprozess soll nicht schnell, sondern gleichmäßig gearbeitet werden. Das ist die stabilste Form der Produktion und Voraussetzung für Standards.
  • Es kommt nicht darauf an, kurze Zeit sehr schnell zu arbeiten, sondern das einzige, was zählt ist die Gesamtzeit bis zum Ziel. Dabei ist es meist viel wirksamer, die Zeit zu eliminieren, die durch Warten verbracht wird, als die Geschwindigkeit zu erhöhen [2].
  • Auf kontinuierlich arbeitende, fleißige Leute ist mehr Verlaß als auf schnelle aber sprunghafte.
  • Der Hase verbraucht viel zu viel Energie ohne sein Ziel zu erreichen. Das ist pure Verschwendung.
  • Evolutionärer Wandel ist nachhaltiger und erfolgreicher als sprunghafter.
  • Schließlich ist die Schildkröte ein Symbol für den „Weg“, für das Lernen, für Unermüdlichkeit und Unerschütterlichkeit.
  • Manche Interpretationen (z.B. Imai) kombinieren auch Schildkröte und Hase. Demnach benötigen wir beides: langsame und stetige Verbesserung (Kaizen) und schnelle, disruptive Innovation und Durchbruchsverbesserung (Kaikaku). Ein Tier mit dem Körper des Hasen und dem Geist der Schildkröte wäre nun wirklich unschlagbar … Aber – so eben die Fabel – der Wille der Schildkröte siegt über die Behendigkeit des Hasen und hat damit den Vorrang.

Diese Fabel gehört zum Repertoire jeder Führungskraft in der schlanken Produktion.

[1]
Der Text ist aus dem Projekt Gutenberg
[2]
vgl. dazu Donald G. Reinertsen: The Principles of Product Development Flow, S. 53, Anm. 1. Bei der Verkürzung von Wartezeiten muss aber darauf geachtet werden, nicht nötige Schutzkapazität zu beschneiden.

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Ein Kommentar zu “Die Schildkröte und der Hase”

  1. emriii

    haloo ich hatte einefrageehm ich wollte die lehre bitteeeeeeeeeeee

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