Kaikaku und Kreativität

Paul.Bayer am 29. November 2007 um 22:03

Kaikaku ist Durchbruchsverbesserung, im Gegensatz zu Kaizen, das eher schrittweise und evolutionär vorgeht. Kaikaku stellt höhere Anforderungen an unsere Veränderungsbereitschaft und Kreativität als Kaizen. Der Boden für Kaikaku sollte deshalb durch Kaizenpraxis vorbereitet sein.

Devlin’s Angle: Untying the Gordian Knot

Kaikaku fordert Sprünge der Verbesse­rung, daher unseres Denkens und Handelns. In der Antike gab es eine unlösbare Aufgabe: den gordischen Knoten aufzuknüpfen. Alexander der Grosse hat sich dabei nicht mit theoretischen Überlegungen aufgehalten, sondern probiert und kreativ gehandelt. Er hat ihn mit dem Schwert durchschlagen. Das ist die Art zu handeln, wie es für Kaikaku, für radikale Verbesserungen nötig ist. Um dieses Handeln zu entwickeln, benötigt man die 3C: Challenge, Creativity, Courage.

Challenge

Den Beteiligten muss klar sein, dass es sich bei der nötigen Verbesserung um eine besondere Herausforderung handelt, die nur mit besonderen, erfinderischen Ideen und der Kreativität eines Teams zu lösen ist. Es muss klar sein, dass ihnen ihr bisheriges Repertoire an Erfahrungen, ihr bisheriges Denken nicht ausreicht, um diese Lösungen zu finden. Zweitens muss klar sein, dass das Problem unbedingt gelöst werden muss. Erst unter diesen beiden Voraussetzungen ist die Bereitschaft da, das bisherige Denken zu verlassen. Diese beiden Voraussetzung können nur durch Führung geschaffen werden.

Courage

Die Beteiligten müssen sich selbst zutrauen, dieses Problem zu lösen. Von ihrem Umfeld, ihren Vorgesetzten bekommen sie signalisiert, dass man ihnen die Lösung zutraut und von ihnen die Lösung erwartet. Sie können mit aller nötigen Unterstützung rechnen, aber sie selbst müssen die kreative Energie aufbringen, um den Durchbruch zu schaffen und sie sind dazu fest entschlossen.

Creativity

Wie entwickeln Leute unter Erfolgsdruck Kreativität? Dazu gehören Training und Erfahrung. Jemand, der noch nie kreative Ideen hatte und zu Lösungen entwickelt hat, wird es kaum schaffen, wenn es darauf ankommt. Der Grund dafür ist, dass er nicht die Denk- und Handlungsmuster entwickelt hat, die es ihm erlauben, seine Intuition und Kreativität gezielt zu aktivieren. Die wichtigsten Muster [1] sind:

  • Ressourcen: Jede Lösung eines Problems, jede Verbesserung muss mit den vorhandenen Ressourcen (Menschen, physikalische Objekte, Felder, Formen, Information …) erfolgen. Kreative Personen sehen viele Ressourcen (auch scheinbar nebensächliche oder negative Umstände) und versuchen sie für die Problemlösung zu mobilisieren: Wie kann ich mein Problem mit Hilfe von … lösen?
  • Funktion: Das bestehende System (Prozess oder Produkt) ist nur eine spezielle – nicht die beste – Lösung, um eine Funktion zu erfüllen. Wird die Funktion verstanden, kann man sich fragen: Wie kann die Funktion anders, besser, einfacher usw. erfüllt werden?
  • Raum, Zeit und Wechselwirkung: Das Problem wird von verschiedensten Blickwinkeln betrachtet. Kreative Problemlöser sind in der Lage, tief in die Details hineinzuzoomen und gleichzeitig das „big picture“ zu sehen. Sie durchdenken die zeitliche Abfolge seiner Entstehung und die Wechselwirkungen seiner Bestandteile: Wann und wo liegen Ansatzpunkte zur Lösung des Problems?
  • Einfachheit: Problemlösung erfordert die Fähigkeit, in den Kern eines Problems zu schauen und dabei das Problem soweit wie möglich zu vereinfachen. Kreative Lösungen sind meist sehr einfach, setzen direkt am Kern des Problems an, und erreichen mit geringstem Aufwand eine große Wirkung: Was ist die einfachste Lösung für dieses Problem?
  • Widerspruch: Die dem Problem zugrunde liegenden Widersprüche und Paradoxien müssen zugespitzt werden. Für Widersprüche suchen kreative Personen keine Kompromisse sondern Lösungen: Wie kann dieser Widerspruch beseitigt werden?
  • Analogie: Irgendwer hat irgendwo, irgendwie unser Problem schon gelöst. Kreativität findet Anregungen in der Natur, in Alltagsgegenständen, in anderen Wirtschaftsbereichen usw.: Wo kann ich ähnliche Lösungen für mein Problem finden? Wie kann ich sie auf mein Problem übertragen?
  • Ideales Endresultat: Um bahnbrechende Ideen zu finden, dürfen wir nicht von der Istsituation ausgehen, sondern wir müssen uns die Idealsituation klarmachen und überlegen, wie wir ihr möglichst nahekommen können indem wir vom Idealzustand zurückfragen: Was hält mich davon ab, das zu erreichen? Warum hält es mich ab? Wie kann ich diese Hindernisse überwinden? …

Die TPS-Pyramide: Denken - Handeln – Werkzeuge

Werkzeuge und Beispiele für diese Denkmuster sind Bestandteile des Toyota Produktions- und Management­systems, aber auch der TRIZ [2]. Entscheidend sind aber nicht die Werkzeuge, sondern die Denkmuster, das zugrunde liegende Denken, um es für Kaikaku ins Spiel bringen zu können. Das erfordert Training und ständige Praxis.

Die 3C begründen also auch, warum Kaizen die Voraussetzung für Kaikaku ist. Kaizen entwickelt:

  • eine realistische Einschätzung, wo die Haupthindernisse für Verbesserung liegen und was erforderlich und leistbar ist (Challenge),
  • die Courage und nötige Veränderungsbereitschaft für Kaikaku und
  • vor allem die Kreativität, die dafür nötig ist.
[1]
Ich werde diese Muster und zugehörige Werkzeuge Zug um Zug auf wandelweb.de ausführlicher behandeln.
[2]
TRIZ ist die Theorie der erfinderischen Problemlösung, vgl. dazu z.B. Darell Mann: Hands-On Systematic Innovation for Business & Management.– 2004, S. 6f

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