Fukudas Parabel

Paul.Bayer am 8. February 2008 um 09:00

Ryuji Fukuda, einer der bekannteren japanischen Unternehmensberater zur schlanken Produktion erläuterte Veränderungsprozesse mit Hilfe einer Parabel [1]. Er verglich die Veränderung einer Organisation zu etwas Neuem mit einer Bootsfahrt zu einem anderen Ufer:

Etwa 10% der Leute sind von der Idee begeistert und bereit etwas dafür zu unternehmen, das neue Land zu erreichen. Sie sind die Ruderer, die die Veränderung vorantreiben. Sie sind es gewohnt zu rudern, sind gut im rudern, wollen nur, dass man sie rudern lässt.
80% sind Zuseher. Sie sind Zuseher, weil sie es gewohnt sind zuzusehen, weil sie schon seit langer Zeit zusehen. Die Ruderer holen sie mit ins Boot, aber sie übernehmen dort keine aktive Rolle sondern wollen sich das ganze erst einmal ansehen.
Die restlichen 10% sind die Nörgler. Sie kritisieren die Veränderung, weil sie an allem etwas auszusetzen haben und weil sie es seit langem gewohnt sind, herumzunörgeln. Sie gehen nicht mit ins Boot, geschweige denn ans Ruder.

Fukuda rät dazu, die Bootsfahrt mit den Ruderern zu beginnen, die Zuseher mit ins Boot zu nehmen und die Nörgler zu ignorieren, sie da zu lassen, wo sie sind und wo sie bleiben wollen. Er rät dazu, das Boot in Bewegung zu bringen, weil sonst Gefahr besteht, dass es von den Nörglern torpediert wird. Wenn der Plan gut ist und das Boot vorankommt, wird die Stimme der Nörgler schwächer werden und der eine oder andere Zuseher wird auch ein Ruder übernehmen.

Was man unbedingt vermeiden sollte

Die Ruderer sollten nicht versuchen, die Nörgler ins Boot zu holen. Dadurch verbrauchen sie diejenige Energie, die sie zum Rudern brauchen. Wenn ihre Energie für die Veränderung schwächer wird, weil sie einen Teil von ihr für die Nörgler aufwenden, ist es für sie schwieriger, die Zuseher an Bord zu behalten oder zum Rudern zu bewegen. Die Zuseher kommen zum Schluss, dass die Veränderung nichts bringt und schliessen sich nicht den Ruderern sondern den Nörglern an. Die Veränderung und die Ruderer verlieren zusehends an Energie, die Ruderer bekommen Selbstzweifel, die Zuseher verlassen das Boot. Die Nörgler haben gewonnen.

Die Kraft der Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeit ist Energie. Den Nörglern Aufmerksamkeit zu schenken, entzieht den Ruderern Energie und führt den Nörglern Energie zu. Kein Wunder, dass sich die Zuseher zu den Nörglern gesellen. Sie wollen auch Zuwendung geniessen. Umgekehrt, wenn wir uns auf die Veränderung konzentrieren, führen wir der Veränderung Energie zu. Man kann Zuwendung erlangen, wenn man aktiv an der Veränderung teilnimmt. Die Ruderer können durch ihr Verhalten beeinflussen, wie sich die Zuseher entscheiden. Die Kraft der Aufmerksamkeit auf eine erfolgreiche Veränderung kann sogar dafür sorgen, dass der eine oder andere Nörgler schließlich mit ins Boot kommt.

Nachtrag

Das ist ein Fehler, den wir in Deutschland, dem Land der Bedenkenträger zu oft machen: zu viel den Nörglern zuzuhören. Vielmehr sollten wir Initiativen und Experimente fördern, das Boot in Bewegung bringen, lernen … Denn Ruderer gibt es auch bei uns.

[1]
vgl. Pascal Dennis, Andy & me, Crisis and Transformation on the Lean Journey.– Productivity 2005, S. 81 und Gwendolyn D. Galsworth, Visual Systems, Harnessing the Power of a Visual Workplace.– Amacom 1997, S. 169 ff

Ähnliche Beiträge:

5 Kommentare zu “Fukudas Parabel”

  1. Joachim Zischke

    Was ich in obiger Parabel vermisse, ist die Beachtung der 80% Zuseher. Nörgler links liegen zu lassen, ist völlig richtig. Folgten wir dem Pareto-Prinzip, müssten die Anstrengungen ja dahin gehen, mindestens 10% der Zuseher in die Gruppe der Ruderer zu gewinnen, so dass die kleine Gruppe der Nörgler keine grosse Wirkung mehr entfalten kann.

    [...] die Zuseher an Bord zu behalten [...]
    Sitzen die Zuseher schon im Boot? Dann hätten wir natürlich eine etwas andere Ausgangslage, um sie zum Rudern zu bewegen.

    Sagte Fukuda eigentlich auch etwas über eine Methode, wie wir die Zuseher ins Boot und zum Rudern zu bringen können?

  2. Paul.Bayer

    Hallo Herr Zischke,

    ja, wenn genügend Führungskräfte unter den Ruderern sind, sitzen die Zuseher zunächst mit im Boot. Wenn die Ruderer sich dann aber mehr den Nörglern ausserhalb des Bootes zuwenden, um sie auch zum Einsteigen zu bewegen statt sich aufs Rudern zu konzentrieren, werden die Zuseher ebenfalls das Boot verlassen und sich zu den Nörglern gesellen, weil sie ebenfalls Zuwendung erfahren wollen. Falls die Ruderer erst ablegen wollen, wenn sie alle Nörgler mit an Bord haben, wird das Boot nie ablegen. Fukuda meint mit seiner Parabel, dass die Ruderer sich um die (stillen) Zuseher kümmern sollten (sie mitnehmen) und keinesfalls um die (lauten) Nörgler.

    Die Zuseher werden zunehmend anfangen mitzurudern, wenn sie sehen, a) dass die Ruderer sich um sie kümmern, b) dass die Position der Nörgler zunehmend schwächer wird und c) dass sie durch Mitrudern weitere Zuwendung und Vorteile erfahren können. Das ist die „Kraft der Aufmerksamkeit“, die auch als Hawthorne-Effekt bezeichnet wird.

    Viele Grüsse,
    Paul Bayer

  3. Ralf Lippold

    Hallo Paul,

    vielen Dank für die gute Story:-)

    Als Ruderer (ist schon eine Weile her) kann ich die Parabel gut nachvollziehen. Problematisch wird es nur, wenn ein Nörgler -clevererweise- mit im Boot sitzt (z.B. kraft seines Amtes) und das Ablegen und die Fahrt von innen heraus torpediert:-(

    Hier müssen die restlichen Ruderer (die Begeisterten) zusammenhalten und durch Aktion und Ergebnisse, den im Boot sitzenden Nörgler mit den “schlagenden” Argumenten überzeugen. Der Rest ist dann -relativ- einfach, denn die restlichen Nörgler lassen sich einfacher von einem der “Ihren” ins Boot holen. Hier geht es auch um das Thema “Gesicht verlieren”, denn Nörgler werden sich schwerlich von den Begeisterten ins Boot holen und von der Sache überzeugen lassen (schon aus Prinzip nicht! Denn von Untergebenen -das sind ja meist die Begeisterten, denn sie profitieren von der Bootsfahrt am meisten- lassen sich Höhergestellte -leider;-(- selten auf direktem Wege überzeugen).

    Alles in allem zeigt diese Parabel, dass Veränderungsprozesse recht komplizierte zwischenmenschliche Konstellationen berücksichtigen muss, die im Eifer des Gefechts (im richtigen Leben werden bekanntlich stets Rennen gefahren! Da hat man einfach keine Zeit, das Team nachhaltig auf Kurs zu bringen).

    Soweit meine Gedanken zur Geschichte und der Verbindung mit der Realität.

    Bin auf weitere Kommentare gespannt.

    Schöne Grüße

    Ralf

  4. bwl zwei null » Alles WYSIWYG oder was: Unternehmen und ihre Probleme mit Wikis

    [...] Die Herausforderung liegt also darin, speziell dieser Personengruppe zu vermitteln, welche Chance gerade sie mit dieser Software haben kann. Keine leichte [...]

  5. Veränderungsbereitschaft: Nicht nur vom Alter abhängig « Streifzüge

    [...] der Veränderungsbereitschaft erklären, wie sie Paul Bayer in “Fukudas Parabel” anschaulich dargestellt hat: Teams würden sich generell grob einteilen lassen in 10% [...]

Einen Kommentar schreiben:

*
To prove you're a person (not a spam script), type the security word shown in the picture. Click on the picture to hear an audio file of the word.
Click to hear an audio file of the anti-spam word