Problemdilemma

Paul.Bayer am 1. February 2010 um 17:46

In den vorangegangenen Beiträgen Problemknoten und Problemverschiebung haben wir das Kerndilemma der Problemlösung dargestellt, so wie es sich entwickelt, wenn Probleme nicht sofort gelöst werden und dann große negative Auswirkungen entwickeln.

Das Problemdilemma

Versuchen wir jetzt dieses Dilemma aufzulösen und erste Ansätze herauszu­arbeiten, um zu vermeiden, dass dieses Dilemma für ein Unternehmen zum Entwicklungsengpass wird oder um ggf. den Engpass aufzulösen.

Die Wolke auflösen

Im Denkprozess der Theory of Constraints stellt die Dilemmawolke den entscheidenden Schritt, den Bruch mit der bisherigen Vorgehensweise dar. Wir haben im ersten Schritt mit dem Gegenwartsbaum die aktuelle Situation untersucht und dort das Kerndilemma herausgearbeitet. Mit dem Kerndilemma spitzen wir die Situation auf fast schon absurd erscheinende Weise zu. Das ist notwendig, um den Konflikt aufzulösen [1].

Beim Auflösen hinterfragen wir die Annahmen in der Dilemmawolke. Aus den falschen Annahmen erzeugen wir neue Ansätze (Injections), mit denen der Konflikt verschwindet.

Die Auflösung des Problemdilemmas

Wir formulieren schriftlich Annahmen, Einwände und Injektionen:

AB:
Wenn wir die Auswirkungen des Problems, die „Blutung“ nicht stoppen, entsteht ein großer Schaden für das Unternehmen.
AC:
Nur eine nachhaltige Problemlösung hilft dem Unternehmen wieder auf die Beine. Es muss unbedingt verhindert werden, dass sich solche Probleme wiederholen.
BD1:
Um die Symptome zu vermindern, müssen wir das System so nehmen wie es ist.

Falsch: Das System ist krank! Die Symptome werden erst verschwinden, wenn das System gesund ist. Dafür muss es verändert werden.

Das führt zur 1. Injektion: führe den Problemlöseprozess so durch, dass sowohl die Grundsatzuntersuchungen durchgeführt werden als auch die Symptome behandelt werden. Lege den Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Ursachen.

BD2:
Wir haben Produkt und Prozess schon genügend verstanden. Eine grund­legende Veränderung des Designs ist nicht nötig.

Falsch: Das anhaltende Auftreten der Problemsymptome zeigt, dass das nicht der Fall ist. Dieser Glaube ruiniert uns noch.

Das führt zur 2. Injektion: Treffe Vorkehrungen, um die psychologische Trägheit abzubauen, wie zum Beispiel Experimente, externe geschulte Problemlöser, widerspruchsorientierte Innovationsmethoden …. Fordere einen Durchbruch.

BD3:
Die Auswirkungen des Problems sind so groß, dass wir uns auf die Symptombekämpfung konzentrieren müssen und keine Zeit haben, das Problem grundsätzlich zu hinterfragen.

Falsch: So kommt man aus dem Teufelskreis nie heraus und die Symptome werden immer weiter anwachsen.

Das führt zur 3. Injektion: Sorge dafür, dass man sich die nötige Zeit nimmt, um das Problem gründlich zu untersuchen. Stoppe – falls nötig – das weitere Anwachsen des Problems und konzentriere die freien Ressourcen auf die Problemlösung.

CD’:
Um das Problem zu lösen, muss seine Entstehung gründlich verstanden sein.
DD’:
Wir können nicht das Design hinterfragen und nicht hinterfragen.

Hier sind weitere Injektionen möglich: Setze verschiedene Teams an. Oder dasselbe Team legt am Anfang Containment-Aktionen fest und konzentriert sich dann auf die gründliche Untersuchung des Problems. …

CD:
wie DD’ [1].
BD’:
Wenn wir die Auswirkungen des Problems bekämpfen wollen, haben wir keine Zeit, das Design zu hinterfragen [2].

Falsch: Die Einwände wurden schon genannt.

Die Untersuchung der Dilemmawolke führt also zur Erkenntnis, dass die Praxis der „Experten“, das bestehende Design nicht in Frage zu stellen, den eigentlichen Hinderungsgrund darstellt und gänzlich eliminiert werden muss.

Slow Down, um schneller zu werden

Der Einwand, dass wir angesichts der großen Probleme keine Zeit haben, das Design gründlich zu hinterfragen, ist am schwierigsten zu überwinden. Wenn das Problem groß ist, so ist eine Managemententscheidung erforderlich, sich endlich die nötige Zeit zu nehmen.

Deswegen ist es von Anfang an wichtig, das Innehalten, Loslassen, in Ruhe Beobachten und Experimentieren in den Problemlöseprozess einzubauen. Hektische Betriebsamkeit in einem Unternehmen sorgt dafür, dass sich das Problemdilemma und die darauf aufbauende schrittweise Verschiebung zur Symptombekämpfung entwickeln können.

Kern der Lösung des Problemdilemmas ist ein scheinbares Paradox: Wenn wir uns Zeit nehmen, das Problem gründlich zu untersuchen, sind wir schneller in der Problemlösung. Je früher wir uns diese Zeit nehmen, desto schneller werden wir und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Probleme sich zu „Problemknoten“ auswachsen. Das Vorbild für Problemlösung ist also wieder einmal die Schildkröte, nicht der Hase.

[1]
Die Vorgehensweise heißt auch Evaporating Clouds.
[2]
Die virtuellen Konflikte CD und BD’ sind Gefährungspfeile (jeopardy arrows) und werden zum Quercheck der Konfliktwolke benutzt.

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