Das Minimumgesetz

Paul.Bayer am 29. December 2009 um 13:20

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts schrieb der englische Ökonom Thomas Robert Malthus:

„Ich behaupte, dass die Fähigkeit der Bevölkerung zur Vermehrung unbegrenzt größer ist als die Kraft der Erde, Unterhaltsmittel für den Menschen hervorzubringen.“

Er sah schwere Hungersnöte kommen, da die landwirtschaftlichen Erträge nicht mit dem natürlichen Bevölkerungszuwachs mithalten könnten. [1]

Die entscheidende Antwort auf Malthus’ Prognosen gab 1840 der deutsche Chemiker Justus von Liebig. Er fand, dass Pflanzen zum Wachstum Kohlensäure, Ammoniak, Wasser, Phosphorsäure, Schwefelsäure, Kieselsäure, Kali, Bittererde, Eisen sowie Wasser, Wärme und Licht benötigen. Wenn einer dieser Faktoren in zu geringer Konzentration vorhanden ist, kann das nicht durch ein Mehr an anderen Faktoren ausgeglichen werden.

Das Minimumprinzip am Beispiel einer Pflanze

Damit eine Pflanze ihr genetisches Wachstumspotenzial ausschöpfen kann, muss man ihr also den Faktor geben, den sie am nötigsten braucht, nicht denjenigen, den sie im Überfluss hat. Dieses Minimum­gesetz war bereits 1828 von Carl Sprengel formuliert worden. Aber Liebig gelang es, aus diesen Erkenntnissen Mineraldünger zu entwickeln und seine Wirkung nachzuweisen. Die Ernteerträge stiegen von damals bis heute um das 5 bis 6-fache.

Verallgemeinerung des Minimumgesetzes

Seit den 60-er Jahren hat Wolfgang Mewes außergewöhnliche Karriere- und Erfolgsfälle untersucht und fand, dass das Minimumgesetz auch in der Wirtschaft gilt. Unternehmen und Personen sind dann erfolgreich, wenn sie ihre Energie jeweils auf den Engpass fokussieren, der sie an der Entwicklung behindert und somit Lösungen für diesen Engpass finden. Aus diesen Erkenntnissen formulierte Mewes die engpasskonzentrierte Strategie, EKS® [2], die von einigen sehr erfolg­reichen Unternehmen im deutschen Sprachraum angewandt wird [3].

Minimumprinzip am Beispiel eines Unternehmens

Einen sehr ähnlichen Ansatz entwickelte Eliyahu M. Goldratt mit der Theory of Constraints (TOC), die ursprünglich aus der Produktionssteuerung kam, dann ins Projekt­management übertragen und schließlich auf Vertrieb und Strategie erweitert wurde. Auch die außerordentliche Wirksamkeit der Theory of Constraints wurde in unzähligen Anwendungsfällen nachgewiesen [4].

Das Minimumgesetz gilt also auch in der Wirtschaft. Eine wesentliche Erweiterung ist die Einsicht sowohl der EKS als auch der TOC, dass die Minimumfaktoren, die Wachstum oder Erfolg von Unternehmen begrenzen, oft Regeln oder Annahmen, also eigentlich „weiche“ Faktoren sind, die auf die vorherr­schenden Denkmuster im Management zurückzuführen sind. Die TOC und EKS widersprechen vielen dieser Denkmuster und haben deshalb einen schweren Stand gegenüber der klassi­schen Betriebswirtschafts- und Managementlehre. Sehr erfolgreiche Unter­nehmen über­winden diese Denk­muster und damit die Engpässe, ob sie jetzt Anwender von TOC oder EKS sind oder nicht.

Engpassmanagement

Die Ansätze der Theory of Constraints und der engpasskonzentrierten Strategie arbeiten die Engpässe gezielt und methodisch heraus und erlauben es, sie schrittweise zu überwinden, einen nach dem anderen. Die daraus folgende Entwicklung wird zum Beispiel in der „EKS-Erfolgsspirale“ so dargestellt:

Die EKS-Erfolgsspirale

Gezieltes Engpassmanagement (oder Constraints Management) erfordert eine Gesamtsicht auf das Unternehmen in Wechselwirkung mit seiner Zielgruppe. Ein Engpass existiert immer nur bezogen auf ein System und auf ein Systemziel. Ohne Ziel kein System und kein Engpass. Unternehmen, die in Funktionsbereiche aufgespalten sind, die ihre „eigenen“ Ziele und nur lokale Sichtweisen haben, können deshalb kein Engpassmanagement praktizieren. Aber das ist auch schon wieder ein Engpass.

[1]
[2]
Die Rechte an der EKS® werden seit 2008 von malik management gehalten.
[3]
z.B. Kärcher, Würth oder die Rational AG. Hermann Simon fand in „Hidden Champions“ (mittelständische Unternehmen mit Weltmarktanteilen von 15-100%) Anfang der 90-er Jahre nur ein einziges „Geheimnis“: Überraschend viele der von ihm interviewten Erfolgsmanager hatten nach der EKS gearbeitet.
[4]
Goldratt’s Marketing Group hat eine TOC Reference Bank mit Informationen zu TOC-Anwendungsfällen. Auf den TOCICO- oder Realization-Konferenzen werden regelmäßig ausführlich Ergebnisse aus erster Hand berichtet.

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