Grüne und rote Kurven

Paul.Bayer am 6. December 2009 um 12:39

Die grüne und rote Kurve der Theory of Constraints

Die grüne und rote Kurve ist ein wichtiges Denkwerkzeug in der neueren Theory of Constraints. Auf der TOCICO-Konferenz 2009 in Tokio erzählte Goldratt, wie er früher gegen Unternehmen gewettert hat, die sich mit Wachstum nach der grünen Kurve zufrieden geben. Aber sein heutiges Verständnis ist, dass die grüne und die rote Kurve zusammen gehören, dass die grüne Kurve für Stabilität und die rote für Wachstum steht. Beide bedingen einander.

Ohne innere Stabilität kann ein Unternehmen nicht wachsen. Umgekehrt schafft Wachstum die Voraussetzung für innere Stabilität. Zu geringe und zu große Stabilität beeinträchtigen das Wachstum. Fehlendes oder zu schnelles Wachstum können ein System an den Rand seiner Existenz bringen. Die Balance der grünen und roten Kurve ist also der entscheidende Punkt für nachhaltige Entwicklung.

Innovation und Stabilität

Für die Entwicklung von Systemen haben beide Kurven reale Bedeutung:

  • Die grüne Kurve zeigt die Entwicklung mit Ressoucenengpass oder die Annäherung an ein Limit.
  • Die rote Kurve zeigt die Entwicklung ohne Ressourcenengpass.

Die rote Kurve bedeutet, eine Situation extensiv auszuschöpfen, die grüne bedeutet, sie intensiv zu nutzen. Eine anhaltende Entwicklung besteht daher aus der Überlagerung mehrerer solcher Kurven, z.B. aus einer Serie von Innovationen, die den Systemengpass jeweils überwinden.

Die grüne ist die Basis der roten Kurve
Oszillationen und Niedergang
  • Ein Übergang von der grünen (a) zur roten Kurve (b) findet statt, wenn der Systemengpass (Constraint) erweitert wurde, zum Beispiel durch eine Innovation. Um sich dauerhaft entlang der roten Kurve zu entwickeln, muss das System in einer Wachstumsphase die Erweiterung des nächsten Engpasses vorbereiten.
  • Das System muss aber trotzdem sorgfältig mit seinen Ressourcen (den Nicht-Constraints) umgehen, sonst stößt es bald an den nächsten Engpass. Es muss auf jeder neuen Stufe wieder in einen stabilen Zustand kommen.
  • Mit den Ressourcen und Engpässen nicht sorgfältig umzugehen, wird zu krank­haftem Systemverhalten führen, entweder c) zu Übersteuerung und Kollaps oder d) zu Oszillationen.

Engpassmanagement

Wie können wir die Balance zwischen beiden Seiten halten? Der Schlüssel dafür ist ein richtiges Management der Engpässe. Die Theory of Constraints bietet dafür die fünf Fokussierungsschritte:

  1. Identifiziere den Engpass: ist er intern oder extern, eine Ressource oder eine Regel …?
  2. Nutze den Engpass aus: Wird alles getan, um den Engpass auszulasten? Wird der Engpass mit überflüssigen Aktivitäten belastet?
  3. Ordne alles andere dem Engpass unter: Alle Aktivitäten im System außerhalb des Engpasses müssen ihn unterstützen und dürfen ihn nicht zusätzlich belasten oder gefährden.
  4. Erweitere den Engpass: Finde Wege, den Engpass zu erweitern.
  5. Falls sich der Engpass in einem der bisherigen Schritte verschoben hat, gehe zurück zu Schritt 1: Lasse nicht die Trägheit des Systems zum neuen Engpass werden.

Der Schritt 3 (Subordination) der fünf Fokussierungsschritte entspricht der grünen Kurve. Er sorgt für die Stabilität des Systems und Unterstützung des Engpasses. Wenn ein System auf dem Wachstumspfad ist, versucht ein strategisches Engpass­management ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen und dafür zu sorgen, dass der Engpass an derselben Stelle bleibt, damit das System nicht immer wieder neu reorganisiert werden muss.

Engpassmanagement vermeidet es, sich nur mit der grünen oder nur mit der roten Kurve zu beschäftigen:

  • Ein zu starker Fokus nach innen, z.B. auf die Perfektion von Produkten und Abläufen ohne die Kundenbedürfnisse zu erfüllen führt letztlich zu Stillstand.
  • Eine bloße Orientierung an Wachstum und Gewinn vernachlässigt das Entwickeln der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen und führt leicht zum Übersteuern.

Denselben Prozess beschreibt auch die Engpasskonzentrierte Strategie (EKS): baue auf deine Stärken (innen), um damit das drängendste Problem deiner Zielgruppe (außen) zu lösen. Engpassmanagement setzt auf nachhaltiges Wachstum.

Durch ihre Erfahrungen mit der Wirtschaftskrise kommen einige Unternehmen wieder zur Besinnung und orientieren sich mehr an Nachhaltigkeit. Vielleicht kommt also jetzt eine gute Zeit für die TOC und für die EKS. Wirkliche Paradigmenwechsel benötigen oft einen Anstoß von außen.

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