Durchsatzmanagement

Paul.Bayer am 29. November 2009 um 18:44

Einer der beeindruckendsten Vorträge auf der TOCICO-Konferenz 2009 in Tokio kam von Suehiro Nakamura, ehemals Sony-Vizepräsident und direkter Mitarbeiter der Sony-Gründer Masaru Ibuka und Akio Morita. Yuji Kishira bezeichnete in seiner Einführung Sony und Akio Morita als eigentliche Erfinder ganzheitlichen Supply-Chain-Managements. Leider durfte der Vortrag nicht aufgezeichnet werden. Deswegen muss ich mich hier auf die Wiedergabe meiner Notizen beschränken. [1]

Operative Kreativität

Kreation, also etwas eigenes, neues zu erschaffen war das wichtigste Manage­mentkonzept bei Sony. Ibuka definierte:

Die ideale Fabrik erzeugt einen Geist der Freiheit und ein Klima der Offenheit, in dem wirklich motivierte Ingenieure ihre besten techno­logischen Fähigkeiten entfalten können.

Sonys Ansätze waren dementsprechend:

  1. neue Technologie anzubieten, um die Kunden zu begeistern,
  2. neue Produkte früher als irgendjemand sonst zu entwickeln,
  3. mehr Wert und höhere Qualität als die Wettbewerber zu bieten,
  4. global aufzutreten aber lokal präsent zu sein.

Akio Morita wollte diese Ansätze in Sonys eigener Wertschöpfungskette bündeln. Sein Ansatz richtete sich von vorneherein auf die gesamte Supply-Chain. Sonys Konzept der Kreation erfasste alle Stufen, die nötig sind, um ein technologisches Konzept in Cash umzuwandeln – nicht nur das Design.

Sonys drei Schritte der kreativen Kozeption

Der Aufwand, um ein Konzept in Cash zu verwandeln, verzehnfacht sich von Prozessstufe zu Prozessstufe. Um die Supply-Chain zu integrieren, müssen die entsprechenden Hebelwirkungen benutzt werden:

  • Voraussetzung, um den Kunden die beste Qualität zum besten Preis und zum richtigen Zeitpunkt verkaufen zu können sind exzellente Herstellprozesse.
  • Die entscheidende Voraussetzung, um Exzellenz in Kosten, Qualität und Flexibilität zu erreichen, ist Design for Manufacturing.

Nakamura:

Design for Manufacturing ist die wichtigste Angelegenheit im gesamten Wertstrom.

Die ganzheitliche Supply-Chain

Akio Morita sah, dass sich Sonys Ziele nicht erreichen ließen, wenn er versuchte, die Produkte nur über bestehende Handelsketten zu vertreiben. Direkter Kontakt mit dem Kunden war erforderlich und die Zeiten zwischen Konzept und Produktvorstellung, zwischen Angebot und Verkauf, zwischen Rohmaterial und Auslieferung mussten drastisch verkürzt werden. Das erforderte, möglichst wenig Friktion und Schnittstellen in der Supply-Chain zu haben. Nakamura zeigte folgendes Bild der Supply-Chain als Flusssystem [2]:

Supply-Chain Optimierung

Er kommentierte:

  1. Die Engpässe in der Supply-Chain zu eliminieren, bewirkt eine stärkere Kundenorientierung aller Prozessschritte.
  2. Durch kürzere Lieferzeiten und geringere Bestände steigt die Casherzeugung (ROI) deutlich an.
  3. Dadurch steigen die Profitabilität und der Marktanteil.

Eine Kettenreaktion kommt in Gang.

Der entscheidende Wettbewerbsvorsprung

Innovation bedeutet, die Regeln zu verändern.

Wichtig an diesem Vortrag ist unter dem Gesichts­punkt der Theory of Constraints, dass Sony durch sein unkonventionelles Vorgehen seinen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung auf zwei Gebieten erreicht hat: auf technologischem Gebiet und im Management der Supply-Chain. Es hat die Geschäftsregeln auf diesen zwei Gebieten verändert. Wenn ein Wettbewerbsvorsprung auf zwei unterschied­lichen Gebieten vorliegt, kann er nicht leicht kopiert werden. Sonys Modell insgesamt kann durchaus aber auch für andere Techno­logieunternehmen gelten.

Gleichzeitig zeigt Sonys Geschichte, dass dieser Wettbewerbsvorsprung nichts ist, auf dem man sich ausruhen kann. Auf diesen Punkt hat Akio Morita seine Mitarbeiter oft hingewiesen. Es liegt am Top-Management, weiter die Regeln des Geschäftes zu verändern und zu prägen und die nächsten Sprünge vorzubereiten. Immerhin konnte das Sony-Management zu Akio Moritas Zeit den Wettbewerbs­vorsprung über 50 Jahre lang bewahren und ausbauen.

Vielleicht war das ja der Grund, dass Nakamuras Vortrag nicht aufgezeichnet werden durfte: steht Sonys derzeitige Unternehmenspolitik noch in der Tradition, einen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung nach dem anderen zu erzeugen? Oder haben – wie Goldratt vorsichtig kommentierte – die Professoren (der BWL) auch hier gewonnen?

[1]
Zur Ergänzung kann ich die Lektüre von Akio Moritas Autobiografie: „Made in Japan, „The genius behind Sony“, Eine Weltkarriere“ nur empfehlen. Das Buch ist antiquarisch erhältlich.
[2]
Das zeigt einmal mehr, wie sehr die Japaner Fluss wirklich als physikalisches Strömungssystem sehen.

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