Die Reorganisation
Paul.Bayer am 22. October 2008 um 12:14Ein junger Betriebswirtschaftler beobachtet zwei Gegner beim Schachspiel. Er sieht die Anspannung, Nervosität und den Stress der Spieler, auch wie lange es dauert bis jeder zieht – offensichtlich ineffizient und inhuman – ein Fall für Reorganisation. Er unternimmt die wesentlichen Schritte:
Alle Bauern werden zusammengefasst und ein Bauernführer bestellt. Die Türme scheinen wichtig zu sein, also brauchen wir einen Turmmanager. Die Pferde scheinen besonders komplexe Aufgaben zu haben und besonders wichtig zu sein. Also beide zusammen unter einer Leitung oder jedes Pferd separat? Aus Kostengründen vorerst beide unter einem Chef, später sieht man weiter. Die Läufer ziehen linear – nur ein Chef nötig. Königin und König, jeweils je ein Manager, der CEO persönlich managt den König.
Die Erwartungen: weniger Stress, mehr Effizienz sobald sich die neue Lösung eingespielt hat und die Spezialisierung greift. Das Führungsteam ist mit sieben Personen etwas groß. Wir lösen das so, dass die Manager für König, Königin und Pferde einen dreiköpfigen Vorstand bilden, die anderen vier werden Prokuristen.
Jetzt muss das ganze koordiniert werden. Kein Problem, dafür gibt es doch bewährte pragmatische Lösungen: Vorstandssitzung mit oder ohne Beizug der Prokuristen, weil sonst Information fehlt. Zuerst präsentiert der Bauernführer, wohin er mit seinen Bauern gezogen ist und welche gegnerischen Figuren er damit kassiert hat. Er weiss, dass der Läufer-Manager auf ihn wütend ist, weil er einen Läufer genau dahin ziehen wollte, wo er einen Bauern hingestellt hat. Der Läufer-Chef präsentiert seine Lage und stellt den Antrag, der Bauernführer möge unverzüglich seinen Bauern von diesem Feld entfernen, damit er von dort aus die gegnerische Königin zu bedrohen. Der Pferde-Chef protestiert, weil er Wege sieht, in den nächsten drei Zügen erstmals Schach zu bieten, dafür brauche er aber die Unterstützung vom Turm und zwei Bauern … Die Runde kocht, der Ton wird laut.
Der Königin-Chef stellt den Antrag, dies sei kein Arbeiten, man brauche dringend Seminare für Konfliktmanagement und Kommunikation. Der CEO delegiert noch während der Sitzung seine Aufgaben an den Königin-Chef und verkündet, sich auf Strategie und Öffentlichkeitsarbeit zu konzentrieren …
Fredmund Malik kommentiert diese Geschichte so:
„Schach ist eine kleine ‚Firma‘, 16 Mitarbeiter, ein Konkurrent, der ebenso klein ist; man hat jederzeit den Überblick, jeder weiss, was der Konkurrent gerade tut. Schach hat nur eine Komplexität von 10155 Zügen – eine Zehn mit 155 Nullen. Unternehmensführung ist um ein Vielfaches komplexer. Wie immer wir im herkömmlichen Paradigma organisieren und re-organisieren, die Komplexität der realen, globalen, komplexifizierenden Welt wird damit nicht zu managen sein.“
Quelle: Fredmund Malik: Unternehmenspolitik und Corporate Governance.– Campus 2008; S. 304
am 1. November 2008 um 10:52 Uhr.
Hallo Paul,
eine phantastische Geschichte, da fällt mir die Schachweltmeisterschaft ein und die Geschichte von den “faulen Kühen” von Gordon MacKenzie. Die Kühe stehen auch nur dumm und faul auf der Wiese rum, machen nix (offensichtlich). Dann am nächsten Morgen, geben sie doch Milch (obwohl sie nix gemacht haben;-)).
Das Wunder der Kreativität und des Denkens:-)
Leider noch zu wenig präsent in einer Welt, in der sichtbare und physische Arbeit noch immer höher angesehen werden (die Ausbildung gibt es vor mit Noten, Deadlines, Zertifikaten, etc.).
Zeit für den Wandel:-)
Kreativ innovative Grüße
Ralf