Kreative Aktion
Paul.Bayer am 17. December 2010 um 23:16
Edward Matchett (1929-1998) war ein britischer Ingenieur und Designer, der sich darauf spezialisiert hatte, anderen den Zugang zu Kreativität zu eröffnen. Sein Interesse galt den Grundlagen kreativer Gestaltung.
Darell Mann hat sich vorgenommen, Matchetts bemerkenswerte Schriften neu aufzulegen. Seine IFR-Press hat jetzt auch Matchetts „Creative Action“ von 1974 neu verlegt. [1]
„Creative Action“ ist ein Programm der schrittweisen Selbsterkenntnis, das dem Leser dabei helfen will, den kreativen „gewöhnlichen Menschen“ in sich selbst (wieder) zu entdecken.
Es ist mein Wunsch und meine Hoffnung, dass das, was hier geschrieben ist, vielen Leuten dabei hilft, mehr wirklichen Erfolg, mehr Zufriedenheit und mehr tiefe und anhaltende Freude in allen ihren Handlungen zu finden. [2]
Die Prinzipien für kreative Aktion
Am Ende des Büchleins formuliert Matchett seine Grundüberzeugungen:
Jeder Mensch hat ein größeres kreatives Potenzial als er es je erschließen kann. Der Umstand seiner materiellen Existenz in einer materiellen Welt ist die größte seiner Beschränkungen zu wahrer Freiheit. Die Grenzen seiner besonderen Persönlichkeit behindern seinen Ausdruck weiter. Jeden Moment können seine mechanischen Abhängigkeiten in eine virtuelle Versklavung durch seine Umstände führen, ohne die Vision einer besseren Zukunft, nach der er trachten mag.
Hinter diesen offenkundigen Constraints für seinen kreativen Ausdruck liegen die Möglichkeiten für Freiheit. Kreative Aktion ist die intelligente Suche nach und der richtige Gebrauch solcher Möglichkeiten. Wenn eine Möglichkeit genutzt wird und eine Verantwortung angenommen wird, dann hat die Aktion ihre maximale Wirkung. Aber kreative Aktion ist eigentlich ein kontinuierlicher Fluss kreativer Handlungen; sie schafft eine Kraft, die Trennungen heilen, alle Ressourcen besser nutzen, dringende Probleme lösen und in alle Leistung und alles Streben mehr Sinn bringen kann.
Indem die vorhandenen Potenziale der Leute in einer geschäftlichen, privaten oder sozialen Situation voran gebracht werden, werden alle Arten von Durchbrüchen möglich. Der wichtigste Wert der kreativen Aktion liegt darin, dass sie ein Verständnis der wesentlichen Bedarfe und Prioritäten einer komplexen Welt mit sich bringen und als Früchte mehr Harmonie und Erfüllung bewirken kann. Die Prinzipien können so zusammengefasst werden:
- Aktion erweitert Bewußtsein, Fähigkeit und Leistungen nur dann, wenn sie eine echte persönliche Hingabe beinhaltet.
- Aktion gelingt insoweit sie gebraucht wird und der Gemeinschaft als ganzes nützt.
- Aktion gelingt soweit sie auf Bestrebungen, Impulsen, Wünschen und Sorgen aufsetzt oder ihnen Orientierung gibt, die in der direkten oder weiteren Gemeinschaft bereits vorhanden sind.
- Aktion gelingt soweit sich die Leute mit ihr identifizieren können. Das macht die Aktion zu einer wirklichen Erweiterung oder Projektion von ihnen.
- Aktion gelingt insoweit die negativen und auch die positiven Aspekte menschlicher Natur anerkannt und beachtet werden.
- Aktion gelingt soweit sie einen echten Dienst darstellt, und zwar weit über eine „gute Tat“ hinaus.
- Aktion gelingt soweit sie eins wird mit dem ursprünglichen kreativen Prozess, der hinter und in allen Angelegenheiten der Natur und des Menschen aktiv ist. [3]
Das Spüren, Loslassen und schrittweise Überwinden persönlicher Constraints setzt nach Matchett eine ungeheure Kreativität frei und ermöglicht das Erkennen und Erfüllen der wirklichen Bedarfe der Gemeinschaft. Matchett skizziert diesen Prozess als persönlichen Weg, den man mit Hingabe gehen muss, der aber große persönliche Erfüllung und hohen Nutzen für die Gesellschaft verspricht.
Gewöhnlicher Mensch, wir warnen dich, dein Leben wird ein sehr aktives und interessantes sein. [4]
Matchetts Werk ist fundamental. Es vermittelt ein Gefühl für den kreativen Strom in uns allen und spricht damit etwas sehr tiefes an. Kreative Aktion ermöglicht es uns, eine innere Balance zu finden und aus den Rote-Königin-Rennen auszubrechen, in die wir uns „verrennen“:
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am 18. December 2010 um 11:54 Uhr.
Danke für diesen hoch interessanten Buchtipp, Paul. Der Auszug erinnert mich daran, dass die Trennung von Subjekt und Objekt ein Merkmal unserer Kultur ist und nicht “Gottgegeben”. In der Kunst und in der Spiritualität kann man mitunter die Überwindung dieser Trennung erfahren. Auch Eugen Herrigel’s Klassiker über ZEN (den Du sicher kennst : ) kommt mir in den Sinn. Unter dem Strich: das Buch schenke ich mir demnächst selbst. Herzlichen Gruß, Alexander
am 18. December 2010 um 20:29 Uhr.
Hallo Alexander,
freut mich, dass du dir Matchetts Creative Action ansehen willst.
Dein Hinweis ist richtig: Matchetts Werk und Entdeckung hat schon spirituelle Züge. Das unterscheidet ihn von den meisten Arbeiten, die ich zu Kreativität kenne. Allerdings ist es gerade dieser Zug, der in mir eine Saite zum Klingen bringt, da auch für mich die Entdeckung meiner Kreativität ein Akt der persönlichen Befreiung war und ist.
Diesen Umstand sehe ich in jeder Problemlösung und dabei auch in der Arbeit mit anderen Leuten und mit Organisationen: wenn es nicht mehr weitergeht, dann müssen wir Constraints aufgeben. Wir machen uns die gegebenen Randbedingungen gerne zu eigen und haben Schwierigkeiten uns darüber hinweg zu setzen. Der Akt des Überwindens von Constraints ist deshalb immer auch ein Durchbruch im eigenen Denken, ein Loslassen eigener Denkmuster.
Das ist es auch, was die Leute lernen müssen, wenn sie Zugang zu ihrer Kreativität bekommen wollen – ob man dafür nun spirituelle Begriffe verwendet oder nicht. Diejenigen Leute, die einen Zugang zu Spiritualität haben, werden sich allerdings leichter mit Matchetts Arbeit anfreunden können.
Herzliche Grüße,
Paul