PDCA, Kaizen und Evolution

Paul.Bayer am 8. August 2011 um 14:15

Komplexe Systeme wie Lebewesen, Organisationen, Teams … organisieren sich selbst. Ihre eigentlichen Potenziale liegen in ihrer Selbstorganisation, ihrer Anpassungs-, Lern- und Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen usw. Alle diese Charakteristiken haben Maschinen, Computer, Gebäude, Geräte … also vom Menschen gebaute, geordnete Systeme nicht. Komplexe Systeme dürfen wir daher nicht so behandeln wie geordnete Systeme, wenn wir ihre Potenziale nützen wollen [1].

Das Cynefin-Modell hat vier Domänen

Die Grafik zeigt Snowdens Cynefin Modell. Die rechten Domänen (kompliziert und einfach) beinhalten die vom Menschen geordneten Systeme [2].

Wie entwickeln wir ein Produktionssystem?

Unternehmen und Teilsysteme von Unternehmen sind Mischformen komplexer und geordneter Systeme. Sie sind teilweise geordnet und folgen in einigen Aspekten der Metapher der Maschine, wären aber nicht funktions- und überlebens­fähig ohne die komplexen Elemente der Selbstorganisation, die ihr „Nerven­system“ bilden. Im Umgang mit ihnen müssen wir daher die komplexen Aspekte ebenso berücksichtigen. Es nützt nichts, diese zu ignorieren bloß weil wir sie nicht verstehen [3].

Entwickeln wir etwa ein Produktionssystem „am Reißbrett“ und versuchen es dann zu „implementieren“, vernachlässigen wir die ganze Domäne der Komplexität und Selbstorganisation, die sein eigentliches Leben ausmacht. Dabei ist es sogar wahrscheinlich, dass wir die – eigentlich positive – Fähigkeit des bestehenden Systems zur Wider­standsfähigkeit (Resilienz) provozieren. Es ist also wenig verwunderlich, dass solche Ansätze von wenig Erfolg gekrönt sind.

Idealprozess versus Evolution

Anstatt einer bestehenden Organisation irgendeine Idealvorstellung oder einen „Idealprozess“ überzustülpen, ist es vielversprechender, sie aus ihren eigenen Potenzialen heraus zum Besseren zu entwickeln [4]. Das evolutionäre Vorgehen arbeitet so:

  • Was sich an einem bestehenden Organismus bewährt, das wird entwickelt,
  • was sich nicht bewährt, das wird ignoriert oder zurückgebildet.

Es ist auch in der evolutionären Vorgehensweise möglich, andere Verfahren einzuführen, aber nur als Anpassungs- oder Lernprozess, ausgehend von einer vorhandenen Konfiguration.

PDCA und Kaizen als evolutionäre Prozesse

PDCA und Kaizen stehen im Zentrum der schlanken Produktion und sind im Kern evolutionäre Prozesse: Sie gehen aus von dem, was vorhanden ist:

Der PDCA-Zyklus von W.E.Deming
  1. Erfasse die Situation: Wie ist die Situation? Was ist das Ziel? Was läuft also gut? Was sollte verbes­sert werden?
  2. Plan: Plane eine Veränderung oder einen Test mit dem Ziel der Verbesserung.
  3. Do: Führe die Veränderung oder den Test durch – in möglichst kleinem Umfang.
  4. Check: Untersuche die Ergebnisse: Was haben wir gelernt? Was ist schiefgegangen?
  5. Act: Setze die Veränderung um oder breche ab oder durchlaufe den Zyklus erneut.

Kaizen baut auf viele kleine Verbesserungen und rasche Iterationszyklen. PDCA und Kaizen funktionieren nur, wenn sie von den Organisationsmitgliedern verstanden sind und wenn diese ermächtigt und willens sind, in rascher Folge Verbesserungen durchzuführen.

Grenzen überwinden mit TOC und Kaikaku

S-Kurven

Nun stoßen bekanntlich komplexe Systeme wie Lebewesen oder Organisa­tionen an Grenzen und können sich dann den Veränderungen ihrer Umwelt- und Lebens­bedingungen nicht schnell genug anpassen [5]. Wenn die Ziele eines Menschen oder einer Organisation mit den bisherigen Mitteln nicht erreicht werden können, dann müssen die Einschränkungen überwunden werden, die eine Weiterentwicklung behindern. In solchen Fällen muss man vom Kaizen zum Kaikaku übergehen. Dafür bietet die Theory of Constraints systema­tische Ansätze [6].

Auch die Theory of Constraints und Kaikaku (Durchbruchsverbesserung) gehen von der Istsituation einer Organisation aus – nicht von einer Wunschvorstellung. Sie identifizieren die Grenzen und versuchen sie zu überwinden. Denn wenn die Grenzen nicht systematisch und praktisch überwunden werden, dann können noch so heiß erwünschte Ziele und Vorstellun­gen nicht erreicht werden.

[1]
Vgl. dazu Dave Snowdens wunderbare Parabel „Die Kinderparty“.
[2]
Auch (einfache oder komplizierte) Modelle oder Theorien komplexer Systeme sind geordnete Systeme.
[3]
vgl dazu die Parabel „Der verlorene Schlüssel
[4]
Je komplexer die Ausgangssituation ist, desto weniger Sinn macht es, einen „Idealprozess“ zu entwickeln und umso angemessener ist es, eine evolutio­näre Vorgehensweise zu wählen, die am Bestehenden ansetzt und es entweder weiterentwickelt oder seine Grenzen überwindet.
[5]
vgl. dazu den Beitrag „Systemevolution und Verbesserung
[6]

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