Sicher vor schwarzen Schwänen?

Paul.Bayer am 21. May 2009 um 21:34

Nassim Nicholas Taleb ist ein Mathematikprofessor und früherer Börsenmakler in New York und wurde bekannt durch seine Bücher über Ungewissheit und wie die Menschen damit umgehen. Als „schwarze Schwäne“ bezeichnet er Ereignisse, die nicht zu unseren Annahmen passen, wie die Welt sein sollte.

Auch die jetzige Wirtschaftskrise passte nicht zu den Annahmen der meisten Leute („Schwäne sind weiß!“) und ist deshalb ein „schwarzer Schwan“. In einem Artikel “Ten Principles for a Black Swan-proof World” hat Taleb einige Gedanken veröffentlicht, wie wir die Wirtschaft weniger anfällig gegen solche Krisen machen könnten. Er hat mir gestattet, seinen Artikel hier zu übersetzen:

1. Was zerbrechlich ist, sollte früh brechen solange es noch klein ist. Nichts sollte jemals zu groß werden, um zu scheitern. Die wirtschaftliche Evolution hilft denjenigen mit den größten verborgenen Risiken; und so werden die Anfälligsten die größten.

2. Keine Sozialisierung der Verluste und Privatisierung der Gewinne. Was immer gerettet werden muss, sollte auch verstaatlicht werden; was keine staatliche Rettung benötigt sollte frei, klein und selbstverantwortlich für die Risiken bleiben. Wir haben es geschafft, das schlechteste aus Kapitalismus und Sozialismus zu vereinen. In Frankreich haben 1980 die Sozialisten die Banken übernommen. In den USA haben nach 2000 die Banken die Regierung übernommen. Das ist surreal.

3. Leuten, die blind einen Schulbus (an die Wand) gefahren haben, sollten keinen neuen Bus mehr fahren dürfen. Das wirtschaftliche Establishment (Universitäten, Aufsichtsbehörden, Zentralbanker, Regierungsoffizielle, verschiedene Organisationen aus Ökonomen) verloren mit dem Scheitern des Systems ihre Legitimität. Es ist unverantwortlich und dumm, unser Vertrauen in die Fähigkeit solcher Experten zu legen, um uns aus diesem Chaos herauszubringen. Finde stattdessen kluge Leute mit sauberen Händen.

4. Lasse nicht jemandem mit einem Anreizbonus ein Atomkraftwerk leiten – oder deine finanziellen Risiken verwalten. Wetten dass er alle Sicherheiten opfert, um „Profite“ auszuweisen während er behauptet, „konservativ“ zu sein. Bonusse vermindern nicht die verborgenen Risiken für Fehlschläge. Es ist die Asymmetrie des Bonussystems, das uns so weit gebracht hat. Es gibt keine Anreize ohne Abschreckungen: der Kapitalismus dreht sich um Belohnung und Strafe, nicht nur um Belohnung.

5. Gleiche Komplexität mit Einfachheit aus. Der Komplexität durch Globalisierung und hoch vernetztes Wirtschaftsleben muss Einfachheit der finanziellen Produkte gegenübergestellt werden. Die komplexe Wirtschaft ist schon eine Form von Hebelwirkung: der Hebel der Effizienz. Solche Systeme überleben nur durch Leerlauf und Redundanz; mit Verschuldung erzeugen sie wilde und gefährliche Spiralen ohne Platz für den geringsten Irrtum. Kapitalismus kann Moden und spekulative Blasen nicht vermeiden: Anlageblasen (wie in 2000) haben sich als mild erwiesen; Schuldenblasen sind teuflisch.

6. Gebe Kindern keine Dynamitstäbe, auch nicht, wenn Warnschilder drauf sind. Komplexe Derivate müssen gebannt werden, weil sie niemand versteht und wenige sind rational genug, das zu wissen. Bürger müssen vor sich selbst geschützt werden, vor Bankern, die ihnen „Absicherungs-“Produkte verkaufen, und vor leichtgläubigen Aufsichtsbeamten, die auf Wirtschaftstheoretiker hören.

7. Nur Schneeballsysteme sollten auf Vertrauen beruhen. Regierungen sollten nie das „Vertrauen wiederherstellen“ müssen. Sich schnell verbreitende Gerüchte sind ein Produkt komplexer Systeme. Regierungen können sie nicht aufhalten. Wir müssen einfach in der Lage sein, die Gerüchte zu ignorieren und ihnen gegenüber robust zu sein.

8. Gebe einem Abhängigen mit Entzugserscheinungen keine weiteren Drogen mehr. Fremdfinanzierung zu benutzen, um die Probleme von zu viel Fremdfinanzierung zu kurieren, ist keine Homöopathie sondern Verleugnung. Die Verschuldungskrise ist kein vorübergehendes Problem sondern ein strukturelles. Wir brauchen eine Kur.

9. Bürger sollten nicht von Finanzanlagen oder von fehlbaren „Expertenmeinungen“ für ihre Alterssicherung abhängen. Das Wirtschaftsleben sollte weniger von Finanzen abhängig gemacht werden. Wir sollten lernen, nicht die Märkte als Lagerhäuser für Werte zu benutzen. sie bieten nicht die Sicherheiten, die normale Bürger benötigen. Bürger sollten Sorgen um ihr eigenes Geschäft empfinden (das sie kontrollieren können), nicht um ihre Anlagen (die sie nicht kontrollieren können).

10. Mache aus den zerbrochenen Eiern ein Omelett. Schließlich kann die Krise nicht mit oberflächlichen Reparaturen gelöst werden, so wenig wie ein Boot mit einem beschädigten Rumpf mit Behelfspflastern repariert werden kann. Wir müssen den Rumpf mit neuerem (stärkerem) Material wieder aufbauen; wir müssen das System neu aufbauen bevor es sich von selbst wieder aufbaut. Gehen wir absichtlich zum Kapitalismus 2.0 indem wir helfen, dass das, was aufgebrochen werden muss, zerbrechen kann, dass Schulden in Anlagen verwandelt werden, dass Wirtschaftsschulen und ihre Establishments an den Rand gedrängt werden, dass der „Nobelpreis“ für Wirtschaftswissenschaft abgeschafft wird, fremdfinanzierte Übernahmen gebannt werden, Banker dahin gestellt werden, wo sie hingehören, die Bonusse derer, die uns da hingebracht haben, besteuert werden, und dass die Leute lernen, sich in einer Welt mit weniger Sicherheiten zu bewegen.

Dann werden wir ein Wirtschaftsleben ähnlicher zu unserem biologischen Umfeld sehen: kleinere Unternehmen, eine reichere Ökologie, keine Fremdfinanzierung. Eine Welt, in der Unternehmer, nicht Banker die Risiken übernehmen und in der Unternehmen jeden Tag entstehen und sterben ohne in die Schlagzeilen zu kommen.

In anderen Worten eine Welt, widerstandsfähiger gegen schwarze Schwäne.

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