Das Land der Demotivierten?

Paul.Bayer am 18. November 2009 um 23:25

Weiter von der TOCICO 2009 in Tokio. Einer der japanischen Teilnehmer stellt Eli Goldratt die folgende Frage:

In Japan werden sehr viele Verbesserungsprojekte gestartet, die überhaupt keine Wirkung zeigen und ein „Land der Demotivierten“ geschaffen haben. Was denkst Du?

Goldratt antwortet, dass

  1. Resultate wichtig sind und nicht ignoriert werden können und dass
  2. der einzige Ausweg ein Prozess ist, der die Verbesserungsaktivitäten anleitet und fokussiert.
  3. Das ist laut Goldratt genau Taiichi Ohnos eigentliche Botschaft. Er empfindet es als Tragik, dass das – auch in Japan – so wenig verstanden und berücksichtigt wird.

    Offensichtlich liegt hier ein wichtiger Punkt für westliches und für japanisches Management: Ergebnisorientierung allein oder Prozessorientierung allein führen beide in die Irre. Ohne Ergebnisse ist Prozessorientierung sinnlos und ohne Prozessfokus kommen keine Ergebnisse. Der Weg liegt hier genau in der Mitte, ist eine Gratwanderung. Von diesem Weg kommt man allerdings sehr leicht ab.

    So, was ist zu tun, um diesen Weg klarer und breiter zu machen? Gibt es hier einen ungelösten Konflikt? Das ist die Spannung, die ich hier auf dieser Konferenz spüre! Die Frage des japanischen Kollegen zielt genau auf diesen Punkt.

    Harmonie und Fokus

    Goldratts Antwort ist richtig und gleichzeitig schwach. Er wird emotional und sagt, dass es eine Schande ist, dass in Japan die Botschaft von Taiichi Ohno nicht verstanden worden und ignoriert worden ist. Er verfehlt den Punkt! Wenn er diesen Punkt nicht besser erkennen und lösen kann, wird es ihm dann nicht ebenso ergehen wie Taiichi Ohno?

    Fokus zu entwickeln und zu bewahren ist ein großes menschliches Unterfangen. Dass einzelne Menschen, Gruppen, Unternehmen mehr Harmonie und Fokus entwickeln können als andere, ermöglicht ja erst entscheidende Wettbewerbs­vorteile. Harmonie und Fokus sind Negentropie. Sie heben sich von der Masse ab. Gleichzeitig sind sie Attraktoren, werden von allen bewundert. Aber nur sehr wenige Menschen, Organisationen, Kulturen erreichen große Harmonie und laserartigen Fokus.

    Immerhin hat Goldratt noch Zeit, diesen Punkt zu klären ;-) . Und die TOC-Gemeinde hat noch einiges an Arbeit vor sich.

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4 Kommentare zu “Das Land der Demotivierten?”

  1. Peter Staudt-Fischbach

    Ich denke einige wichtige Hinweise zum Verständnis dieses Punktes sind bei Deming zu finden, vor allem in der vierten Säule der Theory of profound knowledge, “Verstehe die Psychologie des Menschen”.

    Inzwischen steht diese Säule auch auf solidem wissenschaftlichem Fundament nachdem die Neurologie und die Experimentalpsychologie in den letzten 30 Jahren verifizierbare Modelle entwickelt hat.

    Die m. E. beste Zusammenfassung und Anleitung für die Praxis findet sich bei Jansen/Streit “Positiv Lernen”. Leider ist das bisher genausowenig ins Englische übersetzt wie Deming und Shewhart bisher ins Deutsche übersetzt wurden.

  2. Paul.Bayer

    Hallo Peter,

    vielen Dank für diesen Kommentar und die Buchempfehlung.

    Beim Nachlesen meines obigen Beitrags muss ich sagen, dass ich ihn nicht klar finde und dass er der Klärung bedarf. Ich bin bei Dir, dass man die Demotivation aufgrund vieler versandeter Verbesserungsmaßnahmen nicht allein durch mangelnden Fokus erklären kann.

    Ich glaube wir müssen dabei auch über den „Sinn“ sprechen, den die Verbesserungsaktivitäten machen oder eben nicht machen. Oft werden damit nur lokale Effizienzen erzeugt, die nur Überkapazitäten schaffen.

    Deming ging es mit seiner vierten Säule hauptsächlich um intrinsische Motivation, um Freude an der Arbeit und um die zerstörerischen Wirkungen von Ranking und Konkurrenz.

    Mit diesen drei Punkten entsteht ein vollständigeres Bild, das das „Land der Demotivierten“ erklären kann. Wenn
    1. der Sinn (warum) der Verbesserungsmaßnahmen nicht klar ist,
    2. die Verbesserungsmaßnahmen nicht fokussiert sind und
    3. die Verbesserungseffekte benützt werden, um Mitarbeiter zu bewerten und zu klassifizieren,
    dann entsteht ein „Land der Demotivierten“.

    Umgekehrt erfordert eine Veränderung dieses Zustands ein gemeinsames Ziel des Unternehmens, ein gemeinsames Verständnis im Unternehmen, wie dieses Ziel erreicht werden kann und ein geeignetes „Management of People“ wie es Deming beschrieben hat.

    Fokus in einem Unternehmen ist das Ergebnis eines sozialen Prozesses.

    Ist es jetzt etwas klarer geworden?

    Vielen Dank für die Anregung zum Nachdenken,
    Paul

  3. Peter Staudt-Fischbach

    Hallo Paul,
    das ging ja schnell :-)

    Ja, jetzt ist es viel klarer. Vor allem freue ich mich, endlich einen Ort gefunden zu haben an dem sich Gleichgesinnte tummeln. Leute die nicht nur schnell was kopieren wollen um danach wieder ihre Ruhe zu haben, sondern die wirklich verstehen wollen “was die Welt im Innersten zusammenhält” um mal mit einem Klassiker zu sprechen.

    Vielen Dank für das wandelweb,
    Peter

  4. Paul.Bayer

    Hallo Peter,

    in Demings „The New Economics“ gibt es eine starke Passage:
    „Role of a Manager of People“ (p. 125 ff).

    Ich werde sie demnächst mal hier auf wandelweb.de übersetzen. Ich glaube, sie macht sehr klar, wie Verbesserung organisiert werden sollte.

    Viele Grüße,
    Paul

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