Bitte keine Sterbeurkunden!

Paul.Bayer am 9. December 2007 um 10:29
Hieronymus Bosch, (Ausschnitt)

Die folgende Episode stammt aus dem vor wenigen Wochen neu erschienenen Buch von Shigeo Shingo: Kaizen and the Art of Creative Thinking, S. 50f [1]:

Warum Sterbeurkunden aushängen?

Beim Maschinenhersteller Y sagte mir der Werksleiter: „Unsere Fehlerquote ist hoch, etwa 35%. Wir müssen etwas dagegen unternehmen.“

„Welche Art von Fehlern haben sie?“, fragte ich ihn. „Es gibt drei Typen: Materialfehler, Designfehler und Verarbeitungsfehler.“ sagte er und gab mir die folgende Aufstellung:

Fehleranalyse Anteil
Fehlerhaftes Material 18%
Fehlerhaftes Design 10%
Fehlerhafte Bearbeitung 7%

Beim defekten Material waren grosse Gussteile aus der hausinternen Giesserei für 18% der Fehler verantwortlich. Deswegen besuchte ich die Giesserei. In der Giesserei war jedem, vom Abteilungsleiter abwärts die Situation bewusst, und sie fühlten sich für die hohe Anzahl von Fehlern verantwortlich. Diagramme der täglichen Fehlerstatistik waren überall an den Bürowänden der Fabrik ausgehängt.

Ich sagte dem Abteilungsleiter: „Es gibt zwei Wege, die Mitarbeiter über Fehler zu informieren. Sie können ihnen Fehler oder Fehlerursachen zeigen.“

„Zum Beispiel, Gusslunker, Kernversatz oder ungleichmässige Wandstärke sind Fehler. Andererseits schlecht gemischter Sand, Feuchtigkeit in den Formen, falsch platzierte Kerne sind Ursachen von Fehlern.“

„Fehlerstatistiken auszuhängen ist genauso wie Sterbeurkunden auszuhängen. Obwohl dadurch Angst und mehr Vorsicht unter den Mitarbeitern ausgelöst werden können, werden die Fehler höchstwahrscheinlich immer noch vorkommen, weil keine konkreten Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. Konzentrieren Sie sich vielmehr auf die Problemursache. Jedes Mal wenn ein Fehler vorkommt, sollte seine Entstehungsgeschichte allgemein bekannt gegeben werden. So können alle lernen, wie der Fehler ausgelöst wurde. Alle können dann ihre Ideen für Lösungen beitragen. Wenn einmal die Fehlerursache und die Lösung klar sind, wird sich derselbe Fehler nicht wiederholen.“

Innerhalb von drei Monaten fiel der Fehleranteil in dieser Fabrik von 18% auf 7%. Bald danach wendeten sie dieses Konzept auch auf Design und Bearbeitung und auf Prozessschritte mit einer hohen Fehlerhäufigkeit an und erreichten ähnliche Resultate. Ihr wiedergefundener Erfolg ist ein deutlicher Hinweis, dass wir, um Probleme zu lösen, unter die Oberfläche schauen müssen. Wir müssen bis zur Kernursache vordringen – nur dann können wir wirkliche Veränderung bewirken.

[1]
vgl dazu die Ankündigung des Buches auf wandelweb.de: Die Kunst, kreativ zu denken.

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