Management von Durchbrüchen
Paul.Bayer am 13. December 2007 um 09:00Mit „The best innovation paper you’ve never read“ zitiert das Berkun Blog einen Artikel von Allan L. Scherr: „Managing for Breakthroughs in Productivity“.
Durchbrüche sind kein Zufall. Die Umstände, die dazu führen, lassen sich präzise benennen und zum Erreichen von Durchbrüchen benützen. Scherrs Artikel beschreibt (manchmal etwas umständlich) Prinzipien, die IBM einsetzt, um gezielte Produktivitätsdurchbrüche zu erreichen.
In diesem ersten Artikel werden die Grundlagen der Vorgehensweise beschrieben.
Das Durchbruchsmodell
Voraussetzung für einen Durchbruch ist, dass
- das Versagen des bisherigen Vorgehens eingestanden und
- daraus gefolgert wird, dass ein Durchbruch nötig ist.
Die Konstellation läßt sich mit dem folgenden Modell beschreiben [1]:
Die vorhandenen Ziele und Zusagen stehen in Widerspruch [2] zur gegebenen Situation. Die Ziele können mit den bisherigen Mitteln nicht erreicht werden, die Zusagen nicht gehalten werden. Auf diesen Widerspruch kann auf vier Arten reagiert werden:
- Man wartet auf das Eintreffen besserer Umstände oder auf einen „goldenen Schuss“. Das ist die Trial & Error-Methode.
- Wenn die Erfolge nicht eintreten, passt man die Commitments entsprechend an: man findet Ausreden, beschuldigt andere, stockt das Projekt auf, reduziert die Anforderungen … Der Widerspruch kann damit nicht beseitigt, aber etwas entspannt werden und man kann so vorübergehend „aus dem Schussfeld“ kommen.
- Man löst entweder den Widerspruch durch eine neue Vorgehensweise und erzeugt einen Durchbruch oder …
- man unternimmt nichts, und der Widerspruch nimmt weiter zu bis hin zur Resignation der Beteiligten.
Ein Durchbruch ist der einzige wirkliche Weg aus dem Dilemma. Scherr betont, dass es eine bewusste Managemententscheidung geben muss, den Weg zum Durchbruch zu beschreiten. Als Folge dieser Entscheidung müssen die geeigneten Umstände für den Durchbruch geschaffen werden.
Commitment ist Voraussetzung für Durchbrüche
Ziele und Zusagen, ein „Netzwerk von Commitments“, die mit der gegebenen Situation von Umständen und Praktiken nicht übereinstimmen, stehen an der Wurzel des Widerspruchs, der den Durchbruch erforderlich macht. Deswegen besteht der Schlüssel darin, Commitments rigoros zu handhaben:
- Ziele und Zusagen sind nur bindend, wenn den Leuten die freie Wahl gegeben wird, die Zusagen zu machen: „Wenn jemand nicht ‚nein‘ sagen kann, hat sein ‚ja‘ wenig Kraft und Bedeutung. Letztendlich gibt es kein authentisches Commitment, wenn es keine Wahl gibt.“
- Commitments von Gruppen und Teams müssen aus Commitments von Personen hervorgehen.
- Commitments dürfen nicht an Voraussetzungen geknüpft sein. Man kann ein authentisches Commitment zum Erreichen eines Ziels machen obwohl man (noch) nicht weiss, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Solche Commitments erzeugen einen Widerspruch, der zum Erreichen von Durchbrüchen nötig ist.
- Commitments zum Erreichen von Durchbruchszielen müssen getrennt von Commitments für reguläre Ziele (Business as usual) gehandhabt werden. Es muss von vorne herein klar gestellt werden, dass zum Erreichen eines Durchbruchsziels andere Wege beschritten werden müssen.
- Daraus folgt, dass Beteuerungen („Das Projekt ist im Plan!“) von Willenserklärungen („Wir schaffen das“) unterschieden werden müssen. Durchbruchsprojekte erfordern Willenserklärungen.
Durchbrüche können nur durch Teamarbeit erreicht werden:
„Die Aufgabe, ein [Durchbruchs-] Projektteam zu starten, erfordert es, das persönliche, authentische Commitment der Teilnehmer zum erwarteten Gesamtergebnis einzuholen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der wirksamste Weg, um dieses Commitment von einzelnen Personen zu bekommen, darin besteht, danach zu fragen und den Leuten die Möglichkeit zu geben, die Anfrage frei anzunehmen oder abzulehnen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Leute über ein breites Spektrum von Unternehmen natürlich darauf verpflichtet sein wollen, in ihrer Arbeit ausserordentliche Ergebnisse zu erzielen. Was meist fehlt, ist eine Umgebung, in der die Leute diese Verpflichtung einlösen können.“ (S. 13)
Erstes Fazit
Das Durchbruchsmodell ist ein kraftvolles Denkmuster und Werkzeug, weil es verdeutlicht, dass es eine Alternative zum fatalen Zyklus von Durchhalteparolen, Schuldzuweisungen und Resignation gibt. Scherr berichtet, dass die ersten Vorschläge für Durchbruchsprojekte meist direkt kommen, wenn dem Management das Durchbruchsmodell vorgestellt wird: ‚Hier kommen wir nicht weiter, können wir da so ein Durchbruchsprojekt machen?‘ Die Erkenntnis, dass mit einer anderen Vorgehensweise ein Durchbruch erzielt werden muss, ist bereits der erste Schritt zu diesem Durchbruch.
Das Durchbruchsmodell erklärt auch, warum es in der konventionellen Vorgehensweise so selten zu Durchbrüchen kommt: Wenn Versuch & Irrtum (1) zu keiner Lösung führen, geht man meist zur Anpassung der Commitments (2) über, um den Widerspruch zu verringern. Dadurch werden aber gleichzeitig die Voraussetzungen für einen Durchbruch verschlechtert. Denn um einen Durchbruch zu erzeugen, muss der Widerspruch zugespitzt, nicht verringert werden.
Um einen Durchbruch zu erzielen, ist es nötig, das Versagen der bisherigen Vorgehensweise offen einzuräumen. Das Durchbruchsmodell macht dieses Eingeständnis leichter, es sorgt für größere Risikobereitschaft und für weniger Angst vor Misserfolgen. Schließlich wird ein Durchbruchsversuch von vorneherein als mögliche Option betrachtet.
Der Durchbruch als dritter Weg erlaubt und erfordert auch eine rigorosere Handhabung von Commitments. Commitments werden korrumpiert, wenn Ziele oft verfehlt werden und daraufhin die Verpflichtungen zurückgenommen werden. Wenn aber bewusst versucht wird, angesichts von Schwierigkeiten Durchbrüche zu erzielen, können Commitments als kraftvolles Instrument wieder ins Spiel gebracht werden. Authentische Commitments von Personen und Teams zu Durchbruchszielen sorgen dafür, dass diese den aktuellen Widerspruch zwischen Realität und den Zielen stärker empfinden. Das ist eine notwendige Voraussetzung dafür, die vorhandenen Denkblockaden aufzubrechen und Durchbruchslösungen zu finden.
Schließlich bleibt die Frage, wie denn jetzt konkret Durchbrüche erzeugt werden können. Das wird im zweiten Teil des Artikels behandelt.
am 14. January 2010 um 22:37 Uhr.
[...] dazu die Beträge: Management von Durchbrüchen und Management von Durchbrüchen II [5] Savransky: schreibt in Engineering of Creativity, S. 18: [...]