Iterative Problemlösung

Paul.Bayer am 28. January 2008 um 09:00

Probleme können dann am besten gelöst werden, wenn man ihre Ursachen kennt. Die Erfahrung mit technischen Problemen ist, dass sie meist auf eine Ursache, seltener auch auf eine Wechselwirkung zweier Ursachen zurückzuführen ist. Wechselwirkungen von drei oder mehr Ursachen sind in der Technik äußerst selten. Wenn Leute bei der Analyse technischer Probleme eine Vielzahl von zusammenhängenden Ursachen reklamieren, dann ist es ein untrügliches Zeichen dafür, dass entweder das Problem nicht verstanden ist oder dass ein technologisches Limit erreicht wurde oder beides. Russell L. Ackoff bemerkte: „Je weniger wir etwas verstehen, um so mehr Parameter brauchen wir, um es zu erklären.“ [1]

Die Ursachenanalyse

Die meisten Probleme machen sich an der Oberfläche durch mehrere Symptome und Umstände bemerkbar. Um die Ursache für ein Problem zu finden, müssen wir deshalb das Problem zunächst eingrenzen und diejenigen Parameter ausgrenzen, die keinen Einfluss auf die Problementstehung haben. Ursachenanalyse besteht aus zwei ineinander übergehenden Phasen, die mit dem Problemlösetrichter beschrieben werden können:

  1. Suchphase und
  2. Analysephase

Problemtrichter

Die Suchphase besteht hauptsächlich im korrekten Erfassen der Situation – Genchi Genbutsu. Das bedeutet primär, vor Ort zu gehen, zu beobachten und die Situation zu hinterfragen. Die wichtigsten Werkzeuge dabei sind:

  • Beine, Augen, Hände, Ohren …
  • Die 6W-Fragen: Was, Wo, Wann, Wer, Wie, Warum
  • Die 4M+I: Mensch, Material, Maschine, Methode, Information
  • Ishikawa-Diagramm, um die Beobachtungen zu erfassen

Wenn die Situation ausreichend erfasst ist und das Problem eingegrenzt werden konnte, beginnt die Analysephase mit Techniken wie zum Beispiel den Fünf Warum.

Iterative Suche

Um unsere Beobachtungen schnell auf den Entstehungsort oder den Engpass zu fokussieren, ist oft ein einfaches iteratives Verfahren nützlich, bei dem der Beobachtungsraum immer wieder aufgeteilt, meist halbiert wird. Einmal verstanden, kann das Verfahren bei vielen Gelegenheiten benützt werden.

Keki R. Bhote erklärt es anhand eines einfachen Spiels:

„Bei dem Spiel wird eine Person aufgefordert, ein Wort aus einem Wörterbuch auszuwählen. Das Ziel ist, dass der ‚Problemlöser‘ bzw. Fragesteller die Seite, auf der das gewählte Wort steht, durch ,Ja‘- oder ,Nein‘-Antworten auf seine Fragen ermittelt. Der Fragesteller beginnt auf der mittleren Seite des Wörterbuchs und fragt, ob das Wort auf einer späteren als der mittleren Seite steht, Durch eine ,Ja‘- oder ,Nein‘-Antwort scheidet die Hälfte der Wörterbuchseiten aus. Durch eine weiter ähnliche Frage scheiden Dreiviertel der Wörterbuchseiten aus usw., bis durch die elfte ,Ja‘- oder ,Nein‘-Antwort die Seite ermittelt wird auf der das gewählte Wort steht. Durch sechs weitere Versuche wird die Stelle ermittelt, an der das Wort auf dieser Seite steht, so dass das Wort selbst gefunden werden kann.“ [2]

Diese Technik wird in einigen Shainin-Methoden (Komponententausch …) angewandt, die zum besten gehören, was statistische Problemlösung zu bieten hat. Aber die Anwendbarkeit ist universell:

1) Am Ende einer Transferlinie wird an den Bauteilen eine Beschädigung festgestellt, deren Herkunft unbekannt ist. Wir gehen in die Mitte der Transferlinie und überprüfen, ob die Beschädigung dort schon vorhanden ist. Abhängig von unseren Feststellungen bewegen wir uns ein Viertel prozessaufwärts oder abwärts usw. Nach wenigen Iterationen haben wir die verursachende Maschine gefunden und können dort den ursächlichen Vorgang suchen.

2) Beim Erstellen einer Webseite stellen wir fest, dass sie von älteren Browsern (IE6) nicht richtig dargestellt wird. Wir haben den Quellcode der Seite überprüft. Er ist richtig. Die Webseite besteht aus Text, eingebetteten Bildern und Videos. Wir vermuten das Video. Wir entfernen es, aber der Fehler besteht immer noch. Wir setzen das Video wieder ein und entfernen das Bild, der Fehler verschwindet. Wir vereinfachen auf <img src="http://beispiel.de/beispiel.gif">. Der Fehler besteht immer noch und muss also ausserhalb des HTML-Codes in der CSS-Formatierung liegen. Wir entfernen im Stylesheet die Anweisungen für img-Tags. Der Fehler verschwindet. IE6 stellt Seiten mit CSS-Anweisungen für eingebettete Bilder fehlerhaft dar.

[1]
Russell L. Ackoff, The Art of Problem Solving.– Wiley 1978; S. 111
[2]
Keki R. Bhote, Qualität – der Weg zur Weltspitze.– IQM Weigang, 1990; S. 90 (deutsche Übersetzung der 1. Auflage von World Class Quality)

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