Absehbar irrational

Paul.Bayer am 24. February 2010 um 09:00

Sind Sie schon einmal in einer Warteschlange angestanden, um etwas umsonst zu bekommen, das Sie eigentlich gar nicht haben wollten? Ist Ihnen schon einmal etwas entgangen, was Sie eigentlich haben wollten nur weil Sie sich die Optionen für etwas, was Sie eigentlich nicht haben wollten, offen halten wollten? Dies sind nur zwei von vielen Beispielen, bei denen wir uns irrational verhalten.

Bei vielem, was wir im Wirtschaftsleben und in Organisationen tun, nehmen wir an, dass die Menschen, die Organisationsmitglieder, Entscheidungsträger, Kunden, Zulieferer, Köche, Entwickler, Monteure … rational handelnde Lebewesen sind. Seit den 70-er Jahren wurde diese Annahme von Wirtschafts- und Organisa­tionspsychologen zunehmend in Frage gestellt und in unzähligen Experimenten widerlegt [1].

In den letzten Jahren sind eine Reihe Bücher erschienen, die die Ergebnisse der Verhaltensökonomen einer breiteren Öffentlich­keit zur Verfügung stellen [2]. Diese Erkenntnisse werden große Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben, auf Organisationsgestaltung, Entschei­dungsfindung, Marketing, Mitarbei­terführung, Problemlösung usw. haben, die derzeit über­haupt noch nicht absehbar sind.

Einer der bekanntesten Verhaltensökonomen, Dan Ariely hat einen Vortrag auf einer TED-Konferenz gehalten, der ein wenig in dieses faszinierende Gebiet einführt:

Arielys Buch: „Denken hilft zwar, nützt aber nichts”, ist eine spannende Lektüre und absolut zu empfehlen.

Dass wir immer wieder denken, wir hätten es bei Menschen mit rationalen Lebewesen zu tun … ist das nur eine schlechte Angewohnheit oder nur ein weiterer Beleg für unsere Irrationalität? Kommt das vielleicht daher, weil wir denken, wir selbst wären rational?

Was bedeutet es für Prozessverbesserung, Problemlösung, Lernen und den Wandel von Organisationen, wenn wir annehmen, dass wir Menschen fundamental irrational sind? Oder ist das etwa eine irrationale Frage?

Respekt für die Menschen

Demings System des tiefen Wissens

Die Einsichten der Wirtschaftspsycho­logen geben uns ein realisti­scheres Bild von den Menschen – und damit von uns selbst. Sie bereichern unser Basis­wissen (SoPK: System of Profound Know­ledge), um Menschen besser zu verstehen, mit ihnen richtig umzugehen und um Systeme menschengerecht zu gestalten. Gleichzeitig erzeugen diese Einsichten eine gewisse Unsicherheit: Menschen sind komplexe Systeme und verhalten sich in der Realität nicht so, wie wir uns das gerne vorstellen. Wir sind verschie­den und verhalten uns unterschiedlich und situationsspezifisch.

Die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie bekräftigen die Notwendigkeit für eine stärkere Einbindung der Mitarbeiter bei der Gestaltung von Organisationen und Prozessen. Gleichzeitig beschädigen sie auf heilsame Weise das Bild der Rationalität, das viele Manager von sich haben oder gerne erzeugen, indem sie auf frappierend einfache Weise zeigen, dass wir alle nur Menschen sind.

[1]
diese Untersuchungen wurden durch die Arbeiten von Kahneman und Tversky über Heuristiken und Voreingenommenheiten ausgelöst. Kahneman hat dafür den Nobelpreis bekommen. Dan Ariely hat auf seiner Website die wichtigsten Quellen der Verhaltensökonomie zusammengefasst. Zur weiteren Einführung interessiert Sie vielleicht „A Short Course in Behavioural Economics“.
[2]

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